Fair Working Conditions

Faire Arbeitsbedingungen

Das Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber war schon immer ein wichtiger, aber auch kritischer Teil des Pilotenberufs. Piloten müssen Entscheidungen treffen, die die Flugsicherheit beeinflussen und die unter bestimmten Bedingungen erhebliche Kosten verursachen können. Dem stehen nicht selten wirtschaftliche Interessen der Arbeitgeber entgegen.

In den letzten Jahren kann man jedoch beobachten, dass die Risiken zunehmend auf die Arbeitnehmer verschoben werden – ein Beispiel dafür ist etwa die Dienstunfähigkeit aufgrund gesundheitlicher Probleme. Piloten sind in der Regel zwar gesünder als Durchschnittsbürger (aufgrund der Voraussetzungen für die fliegerische Tätigkeit), aber bereits eine leichte Erkrankung kann zu längeren Ausfallzeiten führen, weil sie ggf. aufwendige fliegerärztliche Untersuchungen nach sich zieht. In einem festen Arbeitsverhältnis ist dies für den Arbeitnehmer kein Problem. Aber eine neue Art von Arbeitsverhältnissen, die der sog. Vertragspiloten oder auch Null-Stunden-Verträge, wälzen das finanzielle Risiko auf die Arbeitnehmer ab, indem diese nur für tatsächlich geleistete Flugstunden bezahlt werden.

Von mehreren europäischen Ländern - auch von Deutschland - ist bekannt, dass dort Fluggesellschaften operieren, die Vertragspiloten beschäftigen. Die Luftfahrtbehörden der Länder mit den meisten Vertragspiloten haben einen Rückgang der Berichte zu Übermüdung festgestellt – die Frage ist nun: Sind Vertragspiloten weniger müde als andere Piloten? Oder können Sie es sich nicht leisten, Probleme zu melden und dienstunfähig zu werden?

Zusätzlich zum Verdienstausfall müssen Vertragspiloten – wie alle anderen Piloten auch – zu Beginn ihrer Karriere ihre Ausbildungskosten zurückzahlen. Im Normalfall umfasst dies das Basistraining bis zum Erhalt der Berufspilotenlizenz. Vertragspiloten dagegen müssen zusätzlich für die Kosten der unternehmensspezifisch erforderlichen Ausbildung aufkommen, dadurch können schnell zusätzliche Kosten von 40.000 Euro oder mehr zusammenkommen.

Gehalt

Wie sieht das Gehalt aus? Auf den ersten Blick kann der Vertrag attraktiv aussehen, das Bruttogehalt erscheint oft sehr hoch. Problematisch wird es, wenn man auf die Abzüge schaut: Durch die Ausgestaltung dieser Verträge zahlen Vertragspiloten sowohl den Arbeitnehmer- als auch den Arbeitgeberanteil der Sozialabgaben (in Deutschland sind das 41,5 Prozent), die Kosten für wiederkehrende Schulungen sowie Kreditraten an das Unternehmen, um eine spezielle Ausbildung abzubezahlen. Am Ende bleibt häufig nicht genug Geld zum Leben.

Fehlzeiten – etwa aufgrund von Krankheit – oder Zeiten, in denen Flüge nicht durchgeführt werden können – z. B. aufgrund schlechten Wetters, technischer Defekte oder reduzierter Flugpläne durch Urlaub oder saisonale Schwankungen – bedeuten für Vertragspiloten, dass sie weniger oder überhaupt nichts verdienen. Gleichzeitig stehen Vertragspiloten unter massivem Druck zusätzliche Einsätze durchzuführen, weil mit einer Absage die direkte oder indirekte Drohung verbunden ist, für die nächsten Monate nur mir reduziertem Flugeinsatz geplant zu werden und damit einen reduzierten Lohn zu erhalten.

Vertragliche Verpflichtungen, rechtliche Risiken

Hinsichtlich der vertraglichen Verpflichtungen gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den Unternehmen, aber jede Fluggesellschaft hat auf ihren spezifischen Flugbetrieb zugeschnittene Betriebsabläufe. Daher verbieten viele Betriebe es ihren Piloten, gleichzeitig bei einer anderen Fluggesellschaft zu arbeiten – das gilt auch für Vertragspiloten. Häufig arbeiten diese jedoch aufgrund ihrer finanziellen Situation in ihrer Freizeit in Nebenjobs. Hier drängt sich die Frage auf, wie ein Pilot ausgeruht zu seinem Dienst erscheinen soll, wenn er auch in seiner Freizeit arbeiten muss.

Es gibt unterschiedliche Arten von Vertragsarbeitern. Einige arbeiten über eine Agentur für ein niedriges Gehalt, viele befinden sich jedoch in Scheinselbständigkeit. Die Beschäftigung über eine Agentur garantiert zumindest, dass der Arbeitgeberanteil der Sozialabgaben von der Agentur bezahlt wird. Wer zahlt jedoch das Honorar der Agentur? Letztlich wieder die Vertragspiloten selbst, anstelle der Fluggesellschaft, bei der die Piloten beschäftigt sind?

Die Scheinselbständigkeit birgt neben den finanziellen auch erhebliche rechtliche Risiken, weil sie in einigen Ländern strafrechtlich verfolgt werden kann. Viele, gerade junge Piloten haben keine Erfahrung auf dem Arbeitsmarkt und sind oftmals im Ausland stationiert, wo sie die rechtliche Lage nicht kennen und deshalb Gefahr laufen, folgenschwere Fehler zu begehen. Es gab in diesem Zusammenhang bereits zahlreiche Fälle von Wohnungsdurchsuchungen durch die Behörden.

Vertragspiloten werden häufig verpflichtet, sich mit einigen anderen Piloten in kleinen Gesellschaften zusammen zu schließen. Damit soll erreicht werden, dass die tatsächlichen Anstellungsverhältnisse schwieriger zu durchschauen sind. Die Gesellschaften werden im Voraus durch Steuerberatungsbüros gegründet, die von den Fluggesellschaften oder Agenturen damit beauftragt wurden. Dieses Vorgehen wirft die Frage auf, in wessen Auftrag die Steuerberater arbeiten, unabhängig davon, wer deren Rechnungen bezahlt. Uns liegen Gehaltsabrechnungen vor, in denen den Piloten die Sozialabgaben zwar abgezogen, diese aber niemals an die entsprechende Stelle abgeführt wurden.

Aber nicht nur in Bezug auf Steuern und Sozialabgaben versuchen solche Unternehmen die Risiken auf die Arbeitnehmer abzuwälzen. Normalerweise muss die Fluggesellschaft sicherstellen, dass ihre Piloten alle erforderlichen Unterlagen besitzen – dazu zählen z. B. Arbeitserlaubnis, Aufenthaltsgenehmigung, Steuernummer oder Registrierung bei der Krankenkasse. In den atypischen Beschäftigungsmodellen liegt die Verantwortung dafür bei den Piloten. Die Komplexität mancher bürokratischer Abläufe in Verbindung mit Sprachproblemen beschwört Fehler geradezu herauf.

Das hier beschriebene System wurde von den Fluggesellschaften ausschließlich ersonnen, um sozialstaatlich anerkannte Kosten auf den Mitarbeiter zu übertragen und sich den Schutzmechanismen der modernen Arbeitnehmergesetzgebung zu entziehen. Hierdurch entstehen Einnahmeausfälle in den Sozialkassen. Diese Erkenntnisse werden von einer kürzlich von der Universität Gent im Auftrag der Europäischen Kommission durchgeführten Studie bestätigt. Diese zeigt außerdem erhebliche Sicherheitsbedenken in der Luftfahrt aufgrund der atypischen Beschäftigungsmodelle auf.

Die Vereinigung Cockpit fordert eine Überarbeitung der gesetzlichen Rahmenbedingungen. Zum Schutz von Arbeitnehmern, Sozialsystemen und Flugsicherheit müssen Piloten grundsätzlich als Mitarbeiter der Fluggesellschaft beschäftigt sein.