NO to Union Busting

Kein Union Busting

In Deutschland ist eine aufkeimende Diskussion über die Frage ethischer Bedingungen wirtschaftlichen Handelns erwachsen.

Nach Jahrzehnten der allgemein respektierten Mitbestimmung als Beitrag zum wirtschaftlichen Erfolgsmodell der sozialen Marktwirtschaft im Nachkriegsdeutschland, gibt es besorgniserregende Diskrepanzen, die eine solche Fragestellung aufwerfen und längst auch die Luftfahrtbranche erreicht haben. Obwohl wir mit unserem Prinzip der Sozialpartnerschaft und Tarifautonomie in Deutschland gute Erfahrungen gemacht haben, werfen Arbeitgeber vor dem Hintergrund des sich zweifellos radikalisierenden Wettbewerbs zunehmend traditionelle Werte über Bord, um Organisierungsbemühungen von Beschäftigten möglichst im Keim zu ersticken.

In vielen Flugbetrieben wurde ein Regime der Angst und Verunsicherung installiert, welches erfolgreich bewirkt, dass sich dort keine Personalvertretungen und somit Betriebspartnerschaften bilden können. Dabei wird nicht zuletzt der Umstand ausgenutzt, dass für das fliegende Personal kein Anspruch auf Bildung von Betriebsräten nach dem Betriebsverfassungsgesetz besteht. Der Betriebsrat für das Cockpitpersonal - die „Personalvertretung“ - kann nämlich nur über den Umweg eines Tarifvertrages mit einer Gewerkschaft etabliert werden.

Hier kommt Union Busting (Gewerkschaftsbekämpfung - auch Union Bashing genannt) ins Spiel. Wesentliches Ziel des Union Busting ist es, Betriebe und Konzerne zu betriebsratsfreien Zonen zu machen bzw. den Status quo eines fehlenden Betriebsrates zu erhalten. Der Begriff stammt aus den USA. Schon vor Jahrzehnten haben sich dort Netzwerke u.a. aus Beratungsunternehmen und Anwaltskanzleien gebildet, die einen erheblichen Anteil am Niedergang der amerikanischen Gewerkschaftsbewegung haben. Inzwischen hat ein diesbezüglicher Know-How-Transfer nach Deutschland stattgefunden. Längst haben sich auch hierzulande Akteure vernetzt, deren Dienstleistung darin besteht, Unternehmensleitungen in ihrem Kampf gegen Gewerkschaften und Betriebsräte zu unterstützen.

In deutschen und internationalen Airlines mit deutschen Heimatbasen bestehen unterschiedliche Ausprägungen, der Organisierung durch die Vereinigung Cockpit von vornherein zu begegnen. Alle Fälle weisen jedoch die Gemeinsamkeit auf, dass Pilotinnen und Piloten mit massiven Nachteilen gedroht wird, sollten sie sich gewerkschaftlich betätigen: Versetzungen an andere Stationen als der Heimatbasis, teilweise ins Ausland, Reduzierung des Einkommens über die Ausdünnung der Einsatzzeiten, Nichtberücksichtigung bei Karriereschritten wie der Kapitänswerdung, Drohung mit Arbeitsplatzverlust, z.B. über das Nichtbestehenlassen bei den regelmäßigen Check-Flügen und Simulator-Checks, Verkauf von Gesellschaftsanteilen bzw. Schließung des gesamten Unternehmens usw.
Im Cockpit kommt nun eine weitere Gefahr hinzu. Wird ein Pilot kontinuierlich von der Angst vor Repressalien oder sogar um den eigenen Arbeitsplatz begleitet, kann er Entscheidungen im Cockpit auch nicht mehr frei von dieser Angst fällen. Bei sicherheitskritischen Entscheidungen ist dies ein gefährlicher Zustand.
Oftmals werden Betriebsstrukturen so geschaffen, dass die Gründung von Arbeitnehmergremien durch eine große Heterogenität von Beschäftigtengruppen deutlich erschwert wird. Beispielsweise wird eine überdurchschnittliche Anzahl von Piloten des Unternehmens mit Freelance-Verträgen beschäftigt, statt sie direkt ins Unternehmen einzugliedern. In internationalen Airlines werden Piloten vielfach bewusst nicht in ihrem Heimatland stationiert, sondern im Ausland. Ein weiteres Beispiel ist es, ausgebildeten Flugzeugführern, die noch keine Praxiserfahrung haben, gegen Zahlung von horrenden Ausbildungskosten, befristete Verträge als Erster Offizier anzubieten. Durch dieses so genannte „pay to fly“-Modell herrscht wiederum eine überdurchschnittliche Fluktuation im Personalkörper. So lohnen sich solche Modelle für Unternehmen wie die deutsche Fluggesellschaft Germania gleich in doppelter Hinsicht - als lukrative Einnahmequelle und Teil der Gewerkschaftsvermeidungsstrategie.

In vielen Fällen wurden zudem Bemühungen um formelle Personalvertretungen und Gewerkschaftskommissionen durch von der Arbeitgeberseite selbst organisierte Wahlen von Repräsentanten der Beschäftigten, die letztlich ohne echte Mitbestimmungsrechte blieben, ausgehebelt.

Germania ist aber auch beispielgebend für einen sich ausbreitenden Rechtsnihilismus im Luftverkehr. So wurde vor wenigen Jahren am Tag der konstituierenden Sitzung der ersten Tarifkommission der Vereinigung Cockpit all ihrer Mitglieder in dem vollen Bewusstsein fristlos gekündigt, dass sich eine Begründung dafür gar nicht halten lässt. Es wurde damit erreicht, dass die frisch gewählten Gewerkschaftsvertreter für Monate aus dem Betrieb entfernt wurden. Die Arbeitgeber haben damit die Etablierung von Tarifverträgen verhindert.

Auch bei dem inzwischen in der Insolvenz befindlichen Unternehmen Hamburg Airways hatten Mitglieder der Vereinigung Cockpit unter Repressalien der Geschäftsleitung bis hin zur Kündigung zu leiden.

Die derzeitige Situation belegt, dass es noch keine effektiven Gegenstrategien zum aggressiven Vorgehen der Arbeitgeber gibt. Die Vereinigung Cockpit wird daher in einem Arbeitskreis aus Gewerkschaften und Personalvertretern im Bereich der Luftfahrt, Verkehrs- und Arbeitsrechtspolitikern, Wissenschaftlern und Fachjournalisten solche Strategien entwickeln und zur Aufklärung über Union Bashing in Deutschland beitragen. Nur durch die systematische Analyse, wie sie in der sehr aufschlussreichen Studie „Union Busting in Deutschland“ der Otto-Brenner-Stiftung  vorgenommen wird, können Netzwerke aufgedeckt, Methoden, Strategien und Akteure enttarnt werden und das Bewusstsein für die Problematik, auch in der Politik, erhöht werden. Die Rechte der Arbeitnehmer sowie diese selbst müssen besser vor sozialfeindlichen Tendenzen geschützt werden.