Cabin Air Quality

Um eine größtmögliche Sicherheit im Luftverkehr zu garantieren und die Gesundheit von Passagieren und Flugzeugbesatzung zu schützen, fordert die Vereinigung Cockpit die Vermeidung von gesundheitsschädigenden Substanzen in der Kabinenluft.

Worum es geht

Die Kabinenluft in modernen Verkehrsflugzeugen wird seit den 60er Jahren unverändert mit Zapfluft (Bleed Air) aus den Triebwerken versorgt. Die Zapfluft dient zur Aufrechterhaltung der lebensnotwendigen Druckkabine, also zur Sauerstoffversorgung der Passagiere und der Flugzeugbesatzung. Diese Bleed Air wird dabei direkt aus den Triebwerken abgezapft und ungefiltert in die Flugzeugkabine eingeleitet.Bei den an Triebwerken auftretenden großen Belastungen kann nicht gewährleistet werden, dass alle Dichtungen ihre Aufgaben zu hundert Prozent erfüllen. So passiert es immer wieder, dass Betriebsmittel, wie hoch legierte Triebwerksöle und aggressive Hydraulikflüssigkeiten, in die Zapfluft und somit in die Atemluft in der Kabine gelangen. Diese Vorfälle werden als Fume Events bezeichnet. Die Flüssigkeiten, die in die Kabine gelangen können, werden bei Kontakt mit den sehr heißen Oberflächen der Triebwerke einem thermischen Zersetzungsprozess (Pyrolyse) unterworfen. Die dabei freigesetzten hochgiftigen Bestandteile werden von den Menschen an Bord eingeatmet.

Diese Betriebsmittel enthalten verschiedenste chemische Verbindungen, u.a. auch Organophosphate, welche aufgrund ihrer sehr guten thermischen Stabilität beigemischt werden und in verschiedenen Messungen zur Qualität der Kabinenluft wiedergefunden wurden.

Das Bleed- bzw Zapfluftsystem

Untersuchungen aus Deutschland (Institut für Prävention und Arbeitsmedizin (IPA), BG Verkehr) haben im humanen Biomonitoring bei fliegendem Personal zu hundert Prozent eine Belastung mit einigen dieser Organophosphate nachgewiesen. Ein Vergleichswert für die Normalbevölkerung liegt bei vier Prozent. Die Belastung mit manchen Organophosphaten ist in den Körpern von Crewmitgliedern quantitativ sogar höher als bei Flugzeugmechanikern, welche mit Schutzausrüstung und ausgewählten Arbeitsschutzmaßnahmen im ständigen Umgang mit diesen Betriebsmitteln sind.

Die beim Flugpersonal nachgewiesenen Organophosphate beeinflussen nachhaltig verschiedene Enzymsysteme des menschlichen Körpers; sie führen damit zu zentralen toxischen Wirkungen. Neben evtl. schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen für alle Menschen an Bord ist vor allem auch die Flugsicherheit gefährdet, wie zahlreiche Zwischenfälle belegen (Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung, BfU). Erschwerend kommt hinzu, dass die Arbeitsbelastung während besonders intensiver Kabinenluftvorfälle für die Piloten sehr hoch ist, während das Einatmen der giftigen Stoffe zugleich deren Leistungsfähigkeit stark reduziert.

Die Exposition gegenüber den Pyrolyseprodukten findet unter den besonderen Bedingungen der Druckkabine statt: Das bedeutet, es herrschen verminderte Sauerstoffdrücke sowie eine deutlich verminderte Luftfeuchtigkeit, welche im Zusammenspiel mit den auftretenden Stoffgemischen eine toxikologische Bewertung nicht ohne Weiteres möglich machen. Es muss insbesondere berücksichtigt werden, dass Grenzwerte nur für singuläre Stoffe gelten und die Fachgesellschaften auch festschreiben, dass diese Grenzwerte für die Druckkabinenhöhen nicht gelten! Zusätzlich gibt es für viele der zu erwartenden Schadstoffe keine Grenzwerte, da kein gesundheitsgefährdendes Niveau festgelegt werden kann. Die Besonderheiten des inhalativen Expositionsweges sind in den Grenzwertangaben nicht berücksichtigt.

Aus diesen Gründen ist eine Vermeidung von Schadstoffen in der Kabinenluft durch technische Lösungen unabdingbar. Deshalb lautet die wichtigste Forderung:

Eine Kontamination der Kabinenluft muss bei Neuentwicklungen technisch ausgeschlossen werden.  

Da dies bei bestehenden Flugzeugen nicht möglich ist müssen hier parallel zwei Lösungsansätze verfolgt werden:

1. Filter

Da ein gesundheitsgefährdendes Eindringen von kontaminierter Luft in die Kabine beim derzeitig verwendeten Zapfluftsystem nicht sicher verhindert werden kann, werden dringend Filter benötigt! Nur durch solche Filter, deren Technologie bereits entwickelt ist und zur Verfügung steht, ist es möglich, die Schadstoffe zu minimieren.

2. Sensoren

Sensoren werden dringend benötigt um die Auswirkungen eines akuten Dichtungsversagens zu minimieren! Heute bereits verfügbare Sensoren werden jedoch noch nicht in Flugzeuge eingebaut. Eine Umsetzung der regulatorisch bereits vorhandenen (!) Einbaupflicht ist erforderlich! (EASA CS 25.831, 25.832, 25.1309).

Die menschliche Nase ist bisher das einzige „Instrument“, um Fume Events zu erkennen. Allerdings verliert die Nase des Menschen zum einen schon nach kurzer Zeit in der trockenen Kabinenluft einen großen Teil ihres Riechvermögens, zum anderen sind bestimmte Stoffe geruchlos (z.B. Kohlenmonoxid / Kohlendioxid). Außerdem sind manche Menschen auch von ihrer Genetik für bestimmte Stoffgruppen „geruchsblind“. All diese Umstände erschweren das Erkennen eines Fume Events gravierend. 

Die Regularien zur Zulassung eines Verkehrsflugzeuges werden von der European Aviation Safety Agency (EASA) festgelegt. In den Spezifikationen EASA CS 25.831 und 25.832 sind die Anforderungen festgeschrieben, dass auch während des Fluges nachweisbar sein muss, dass keine „gefährlichen Substanzen“ in der Atemluft enthalten sein dürfen. Zusätzlich gibt die entsprechende Bauvorschrift 25.1309 vor, dass Sensoren in Flugzeugen eingebaut sein müssen, um der Crew alle notwendigen Maßnahmen, wie zum Beispiel das Aufsetzen von Sauerstoffmasken für einen sicheren Weiterflug, zu ermöglichen. Bereits 2002 stellte die amerikanische Bundesluftfahrtbehörde (FAA) fest, dass nichts davon bisher umgesetzt wurde: „Aufgrund der fehlenden Luftschadstoffüberwachungssysteme erfüllt derzeit kein Flugzeugdesign die Anforderung der CS 25.831; diese Überwachungssysteme sollen sicherstellen, dass die Luft für die Insassen frei von gefährlichen Verunreinigungen ist“ [FAA]. Die zuständige Flugunfalluntersuchungsbehörde (BfU) kommt 2014 in einer Analyse von 663 gemeldeten Ereignissen u.a. zu folgenden signifikanten Feststellungen:

„…Es gab deutliche Anzeichen, die auf gesundheitliche Belastungen im Sinne der Arbeitsmedizin für Flugzeugbesatzungen und Kabinenbesatzungen hindeuten…“

 „…dass standardisierte Verfahren für die Meldung und Nachweisführung (Blutuntersuchungen) nicht vorliegen“

„In wenigen Fällen waren die Sicherheitsreserven so weit reduziert, dass eine […] hohe Unfallwahrscheinlichkeit bestand“

Beispielhaft möchten wir den Zwischenbericht der spanischen Flugunfalluntersuchungsbehörden erwähnen, der die Störung eines deutschen Luftfahrtunternehmens im Sinne eines Kabinenluftereignisses als Unfall eingestuft hat. Unseren Informationen zur Folge erlitten insgesamt vier Mitglieder der Flugzeugbesatzung kurzfristige gesundheitliche Beeinträchtigungen. Zwei der vier Mitarbeiter sind bis heute fluguntauglich erkrankt.

Neben ihrer Arbeit in verschiedenen Organisationen und Gremien (Deutsches Institut für Normung (DIN), American Society of Heating, Refrigerating and Air-Conditioning Engineers (ASHRAE) und SAE) hat die Vereinigung Cockpit mit den Herstellern von Sensoren Kontakt aufgenommen und festgestellt, dass es in Deutschland geeignete Geräte gibt, die nach Modifikation auch in Flugzeuge eingebaut werden können.

Forderungen der Vereinigung Cockpit  

Wir fordern, dass bei zukünftigen Flugzeugmustern eine Kontamination der Kabinenluft technisch ausgeschlossen wird, zumal eine bestens geeignete alternative Technologie zur Verfügung steht. Bei dieser wird die Kabinenluft aus der normalen Umgebungsluft des Flugzeuges entnommen, ohne sie zuvor durch die Triebwerke zu leiten. Die so gewonnene Luft nennt man „RAM-Air“. Dieses Verfahren kommt bereits im Flugzeugtyp Boeing 787 zur Anwendung.

Weil diese Forderung für die bestehenden Flugzeugmuster nicht umsetzbar ist, fordern wir den umgehenden Einbau von Filtern, um die Kabinenluft möglichst schadstofffrei halten zu können.

 Um fatale Auswirkungen bei akuten starken Fume Events zu verhindern, ist es unabdingbar Sensoren in die heutigen Flugzeugmuster einzubauen, die es der Cockpitcrew ermöglichen, schnellstmöglich zu reagieren. Denn neben dem Selbstschutz (z.B. das Aufsetzen der Sauerstoffmaske) ist auch eine schnelle und effektive Fehleranalyse notwendig, um den sicheren Weiterflug zu garantieren und somit die Gesundheit aller Flugzeuginsassen zu schützen.

Solange keine technischen Anwendungen im Einsatz sind, die eine saubere Kabinenluft garantieren, und keine Sensoren zur Bestimmung der Qualität der Kabinenluft eingebaut sind, gilt das Minimierungsgebot.