Flights through and over crisis areas

Die zivile Luftfahrt ist immer wieder Ziel von Angriffen durch Einzeltäter und extremistische Gruppen oder operiert in Ländern, in denen politisch instabile Verhältnisse herrschen und in denen Konflikte mit Waffengewalt ausgetragen werden. Die Vereinigung Cockpit lehnt Flüge in und über Krisengebiete aufgrund der damit einhergehenden, unvermeidbar erhöhten Risiken ab. Gleichwohl muss berücksichtigt werden, dass eine ausnahmslose Vermeidung von Flügen in und über Krisengebiete nicht möglich ist. Darum fordern wir die umfassende Sammlung aller Sicherheitsinformationen und deren Bewertung durch eine unabhängige Instanz sowie betriebliche Regelungen zum Schutz der Besatzungen.

Worum es geht

Gebiete, in denen die Luftfahrt bekannten oder erwartet erhöhten Bedrohungen durch Waffensysteme ausgesetzt ist, werden hier als Krisengebiete definiert. Insbesondere durch die unkontrollierte Verbreitung dieser Systeme und deren ständiger Weiterentwicklung besteht beim Überflug sowie dem Ab- und Anflug von Flughäfen eine potenzielle Bedrohung. Für die Bedrohungslage ist es unerheblich, ob ein Konflikt zum Krieg erklärt wurde.
Die Durchführung von Flügen in oder über Krisengebiete ist nur auf der Grundlage einer sorgfältigen Gefahren- und Risikoabschätzung vertretbar. Gegenwärtig sind die Fluggesellschaften für die Wahl ihrer Flugziele und -routen selbst verantwortlich. Sie führen eigene Sicherheitsanalysen durch, bei denen sie sich auf Gefahrenhinweise zu einzelnen Ländern stützen, die sie aus dem Auswärtigen Amt und von verschiedenen Organisationen beziehen (ICAO, Internationale Zivilluftfahrtorganisation; IATA, Internationale Luftverkehrsvereinigung; Eurocontrol, Europäische Organisation zur Flugsicherung).

Die Qualität dieser Abschätzung ist allerdings maßgeblich von den zugrundeliegenden Informationen abhängig – Informationen, die im Wesentlichen nur Institutionen wie Geheimdienste und militärische Einrichtungen besitzen und zur Verfügung stellen können. Diese Informationen stehen bisweilen jedoch unter Verschluss und der Fall des Malaysian Airlines Fluges MH17, der über der Ukraine abgeschossen wurde, hat zudem die Frage aufgeworfen, ob Mängel bei der Weitergabe relevanter Informationen an die Fluggesellschaften bestehen.

Gleichzeitig sind wirtschaftliche Interessenkonflikte möglich. Muss der Luftraum über einen Land aufgrund von Sicherheitswarnungen ganz oder teilweise gesperrt werden, bedeutet dies für das fragliche Land den Verlust von Überfluggebühren. Finanzielle Verluste durch Überflugbeschränkungen stehen also der realistischen Gefahrenabschätzung durch des jeweilige Land entgegen. Für die Fluggesellschaften dagegen sind Ausweichrouten mit zusätzlichen Kosten verbunden. Daher ist es auch in Deutschland nicht auszuschließen, dass wirtschaftliche Betrachtungen bei der Bewertung zum Überflug eines Krisengebietes oder beim Anfliegen eines Flughafens in einem Krisengebiet eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen.

Nicht zuletzt stellt ein Einsatz auf Flügen in oder über Krisengebiete auch die Besatzungen häufig sehr kurzfristig vor schwierige Entscheidungen. Für solche Fälle ist eine betriebliche Regelung zum Umgang mit diesen Situationen sinnvoll, die sowohl den Besatzungen als auch den Flugbetrieben Planungssicherheit ermöglicht.

Was die Vereinigung Cockpit fordert

Der Absturz von MH17 hat Fragen zu den Entscheidungsstrukturen beim Überflug von Krisengebieten aufgeworfen und lässt vermuten, dass Mängel bei der Informationsweitergabe bestehen. Der untere Luftraum des Unglücksgebietes war durch die Ukraine bereits seit dem 1. Juli 2014 bis 26.000 Fuß gesperrt. Am 11. Juli 2014 wurde die Luftraumsperrung auf 32.000 Fuß ausgedehnt, nachdem eine Antonow AN-26 in 21.000 Fuß abgeschossen worden war. Demnach war das Risiko durch die Kampfhandlungen bekannt, konkret auch der Einsatz von Waffensystemen, deren Reichweite in Höhen von Überflügen reicht, d.h. nicht nur bis 32.000 Fuß, sondern darüber hinaus. Da im Rahmen der dortigen Kampfhandlungen bereits ca. 20 Militärflugzeuge abgeschossen worden waren und außerdem die Funkverbindungen mehrfach gestört waren, forderte Eurocontrol bei der ukrainischen Regierung die komplette Sperrung des Luftraums über den Donbass. Aufgrund der Verantwortlichkeiten und der Struktur konnte Eurocontrol damals weder Vorgaben noch offizielle Empfehlungen an Landesbehörden aussprechen, und an dieser Tatsache hat sich bis heute nichts geändert.

Diese Mängel haben die VC kurzfristig veranlasst, über die internationale Pilotenvereinigung IFALPA die Aufarbeitung der Informationsdefizite beim Absturz von MH17 durch die ICAO zu unterstützen und die Etablierung eines Informationssystems über Krisengebiete zu fordern. Im August 2014 wurde bei der ICAO die Task Force „On Risks to Aviation in Conflict Zones“ eingerichtet. Diese Task Force erstellte nicht nur ein Konzept zum Zusammenführen von Risikoinformationen, sondern auch zur Entwicklung von Leitlinien zur Bewertung solcher Risiken, insbesondere zur Veröffentlichung von Warnungen oder Schließung von Lufträumen durch die einzelnen Staaten. Mit einem geschätzten Kostenaufwand von 2,5 Millionen US-Dollar pro Jahr wurde die Datenbank „Conflict Zone Information Repository“ eingerichtet, aus der die – von der ICAO geprüften – staatlichen Eingaben zu Krisengebieten von den Piloten abgerufen werden können (siehe Link am Ende des Artikels).

Damit ist ein wichtiger erster Schritt für die Verbesserung der Sicherheit in Bezug auf Flüge in und über Krisengebiete getan. Doch es fehlt eine verbindliche Entscheidung auf Basis dieser und weiterer Informationen. Daher fordert die Vereinigung Cockpit die Einsetzung einer behördlichen Stelle in Deutschland, die verbindliche Vorgaben für den Flug in und über Krisengebiete an Verkehrsfluggesellschaften macht. Dies entspricht aus gutem Grund der Praxis in vielen Ländern, z.B. den USA, Großbritannien und Australien.

Darüber hinaus muss sichergestellt werden, dass die Flugbesatzungen frühzeitig und umfassend alle Informationen erhalten, die für eine sichere Flugdurchführung relevant sind. Aktuelle Änderungen müssen umgehend weitergegeben werden, um kurzfristig nötige Anpassungen vornehmen zu können. Es dürfen dem verantworlichen Flugzeugführer keine Nachteile entstehen, im Falle, dass dieser aufgrund der vorliegenden Informationen eine Umfliegung des Krisengebietes für nötig erachtet.

Weitere Informationen:

Vereinigung Cockpit e.V. Policy „Fliegen in oder über Krisengebiete“:
http://www.vcockpit.de/fileadmin/dokumente/themen/policies/27_VC_Policy_Flüge_in_und_über_Krisengebiete.pdf

CAO Nutzungsbericht zum „Conflict Zone Information Repository“:
https://istars.geckoboard.com/dashboards/FDCE5B7336854EDF

ICAO Conflict Zone Information Repository
Abfrage (seit April 2015):
http://www.icao.int/czir/Pages/default.aspx

Eurocontrol zu Conflict Zones
http://www.eurocontrol.int/speeches/conflict-zones-enhancing-safety-civil-military-flights-seas-update