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Die Tätigkeit der Piloten im Flugzeug unterscheidet sich im wesentlichen von anderen Tätigkeiten an technischen Arbeitsplätzen dadurch, daß wir in das von uns zu bedienendem System integriert sind, in ihm leben, arbeiten, uns mit ihm fortbewegen.
Hier liegt auch einer der Gründe für das Berufsethos der Piloten, für ihr ständiges Bemühen Technik, Informationsdarstellung und Arbeitsumfeld weiterzuentwickeln, um auf höchstmöglichem Sicherheitsniveau arbeiten zu können.
Um die hohe Identifikation der Piloten mit ihrem Beruf besser verstehen zu können, möchte ich mit einem kurzen Blick in die Vergangenheit beginnen.
Die Entwicklung der Fliegerei nahm seit Lilienthal einen rasanten Verlauf:
Schneller, höher, weiter- die militärischen Verwendungsmöglichkeiten waren verlockend und trieben die Entwicklung neuer Techniken voran. Der Fortschritt mußte allerdings sehr oft mit Verlusten von Menschenleben teuer bezahlt werden.
In den dreißiger Jahren wurden die ersten Ganzmetallflugzeuge gebaut und steigende Zuverlässigkeit , Schutz vor den Unbilden des Wetters, die Möglichkeit nachts und auch bei schlechtem Wetter zu fliegen , machten den Flugverkehr für Personen- und Frachtverkehr interessant.
In dieser Zeit wurden Informationen über Lage im Raum, Geschwindigkeit, Höhe, Position, Motorüberwachung mit nur wenigen Instrumenten angezeigt. Es wurde buchstäblich mit dem Hintern geflogen und der Erfolg des Fluges war fast ausschließlich vom Können und der Erfahrung des Flugkapitäns abhängig. Aus diesem Grund waren Arbeitsumfeld und Informationsdarstellung auf diese eine Person ausgerichtet.
Nach dem zweiten Weltkrieg wurden die Flugzeuge zunehmend größer und komplexer, die Anzahl der Cockpitaufgaben nahm rasant zu und war am Ende der Entwicklung der Kolbenflugzeuge nur noch von 5 Besatzungsmitgliedern zu bewältigen - Kapitän, Copilot, Flugingenieur, Navigator und Funker. Zur Koordination der einzelnen Tätigkeitsfelder und zur Information untereinander waren klare, festgelegte Arbeitsverfahren notwendig.
Mit Beginn des Jet-Zeitalters in den sechziger Jahren nahm die Zuverlässigkeit des Fluggeräts in Riesenschritten zu. Neue Funk- und Navigationsmöglichkeiten machten die Arbeitsplätze von Funker und Navigator überflüssig.
Die Einführung der Elektronik im Flugzeugbau seit den achtziger Jahren brachte völlig neue Techniken in die Cockpits, reduzierte aber auch die Besatzungsstärke auf nur noch zwei Piloten, die noch höhere Sicherheitsstandards als je zuvor zu garantieren hatten.
Um dies zu erreichen, wurden standardisierte Arbeitsverfahren ( standard operating procedures - SOP`s ) entwickelt. Diese SOP`s stellen die gemeinsame Arbeitsgrundlage der Piloten dar, so können auch Piloten, die sich vor ihrem Flugeinsatz noch nicht kennen, sofort im Cockpit miteinander arbeiten. SOP`s sind auf allen Flugzeugmustern nach denselben Grundsätzen aufgebaut, so bleiben auch nach Umschulungen auf neue Muster die Arbeitsprinzipien gleich. SOP`s haben in der Fliegerei einen so hohen Stellenwert, daß sie bereits in den Grundausbildungen an den Flugschulen gelehrt werden.
SOP - Beispiel : Beim Take- Off ( Startlauf ) wird immer das Erreichen von 80 kts Geschwindigkeit ausgerufen - hier werden u.a. die Geschwindigkeitsanzeigen, aber auch die Aufmerksamkeit des den Start durchführenden Piloten überprüft.
Im Steig- und Sinkflug werden 2000 ft und 1000 ft vor Erreichen der Flughöhe ausgerufen. Dabei wird überprüft, daß diese Höhe auch wirklich die von der Flugsicherung freigegebene Höhe ist, die Annäherungsrate nicht zu hoch ist und der Autopilot in dem richtigen Betriebsmodus ist.
Die Zusammenarbeit der Piloten geschieht nach den Regeln des Crew Coordination Concepts:
Die Zielsetzung des C.C.C. ist die Sicherstellung von
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Klarer Aufgabenbeschreibung der Besatzungsmitglieder
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Voller Verfügbarkeit des fliegenden Piloten ( PF ) für die Flugzeugsteuerung
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Systematischer Kooperation
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Gegenseitiger Information, Überwachung und Zuarbeit
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Klare und unzweideutige Kommunikation
Der Flugkapitän trägt die Gesamtverantwortung für den Flug. Er entscheidet beispielsweise, wer den Flug als PF ( pilot flying ) und als PNF ( pilot not flying) durchführt.
Die Aufgaben des PF sind die Steuerung des Flugzeuges, die Befolgung der vorgeschriebenen Flugverfahren, Einhaltung der Flugsicherungsfreigaben und die Luftraumbeobachtung. Kann er durch andere Tätigkeiten, wie z.B. eine Passagieransage, seine volle Aufmerksamkeit nicht der Flugzeugführung widmen, so muß er mit der Ansage `you have control `an den PNF übergeben. Dieser bestätigt die Übernahme mit der Ansage `I have control`.
Die Aufgaben des PNF ( assisting pilot ) sind die Unterstützung und Überwachung des PF, der Funksprechverkehr, das Setzen und Überprüfen von Navigationshilfen nach Anweisungen des PF und das Führen der notwendigen Flugunterlagen.
Die Piloten erhalten regelmäßige Schulungen im Crew Resource Management (CRM ).
CRM heisst nicht etwa - you are the crew, I am the management - , sondern durch CRM werden die Piloten zu einer optimalen Zusammenarbeit befähigt Durch Verhaltenstraining lernen sie eigenes Verhalten zu beobachten, das Verhalten anderer einzuordnen und sich situationsangemessen zu verhalten. Problemlösungsmodelle wie z.B. FORDEC werden geübt. FORDEC bedeutet:
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Facts - Was ist Sache? Situationsanalyse, Sammlung von Fakten zur Lage
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Options - Welche Möglichkeiten gibt es? Sammlung von Handlungsmöglichkeiten
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Risks - Was spricht wofür? Abschätzung der Risiken und Erfolgsaussichten
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Decision - Was tun wir nun? Auswahl der Option mit geringstem Risiko und größten Erfolgsaussichten, Re-check der Situationsanalyse
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Execution - Wer macht wann, was und wie? Konkrete Durchführung der Option
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Check - Ist alles noch richtig? Vergleich der tatsächlichen mit den erwarteten Wirkungen, ggfs. Rückkehr zu Facts
Nur durch die konsequente Anwendung der Standard Operating Procedures, des Crew Coordination Concepts und des Crew Resource Managements ist eine sichere Flugdurchführung gewährleistet. Auf den zukünftigen Großflugzeugen, wie A 380 und B 747X werden diese Arbeitsprinzipien eine noch größere Bedeutung haben und wohl kaum durch technische Lösungen zu ersetzen sein.
Ein kurzer Ausflug in die Sicherheitsstatistiken gibt einen Überblick darüber, wie sicher die Weltluftfahrt im vergangenen Jahr nun tatsächlich war. Ich will Sie nun aber nicht mit den Zahlen der verunglückten Maschinen und der zu beklagenden Opfer erschrecken. Diese Statistiken zeigen, daß die Mehrzahl der Vorfälle oder vermiedenen Unfälle nie von der Öffentlichkeit bemerkt werden. Die dabei gemachten Erfahrungen helfen uns Piloten weiter auf dem Weg einen fast 100 % sicheren Luftverkehr darzustellen.
Die Chance als Passagier mit einem Flugzeug tödlich zu verunglücken, konnte seit den siebziger Jahren von einer Zahl von 2.02 pro einer Million Flüge auf 1.07 im Jahre 1999 reduziert werden. Im gleichen Zeitraum stieg die Zahl der großen Verkehrsflugzeuge weltweit um das vierfache auf eine absolute Zahl von 13849, die Zahl der Flugstunden erhöhte sich um das 3,5 fache auf 35,4 Millionen. In anderen Worten ausgedrückt: selbst wenn jemand sein ganzes Leben in einem Flugzeug verbringt, ist die Wahrscheinlichkeit in einen tödlichen Unfall verwickelt zu werden verschwindend gering.( 0,17 Tote pro 1 Million beförderten Passagiere).
Wie konnten diese Zahlen erreicht werden und wie kann der Sicherheitsstandard noch weiter erhöht werden?
Das größtmögliche Sicherheitsniveau im Luftverkehr zu erreichen, ist nur im koordinierten Zusammenspiel aller an der Luftfahrt Beteiligten,- Hersteller, Betreiber, Besatzungen, nationale und internationale Gesetzgeber, Zulassungs- und Aufsichtsbehörden und natürlich der Flugsicherung möglich.
Lassen Sie mich nun kurz darstellen, wie hierzu von den einzelnen Parteien beigetragen wird:
1. Flugzeughersteller
Bei den Herstellern rückte man in den letzten Jahren mehr und mehr von der Überzeugung ab, der Mensch stelle den höchsten Risikofaktor beim Betrieb von Flugzeugen dar, das Risiko lasse sich ausschließlich mit technischen Lösungen ( Automatisierung ) auf Null bringen. Technische Lösungen können immer nur bereits erlebte, aber nie völlig neu auftretene Problemstellungen abdecken Die Kreativität und Intuition der Piloten ist durch nichts zu ersetzen. Daher muß die Flugzeuge und ihre Cockpits nach den Prinzipien des Human Centered Design konstruiert werden, der Arbeitsplatz im Cockpit muß optimal dem Menschen, seinen Stärken und Schwächen angepasst sein. Automatische Vorgänge sind sinnvoll, wo technische Präzision, Ermüdungsfreiheit und Entlastung von Routineaufgaben gefragt sind. Diese müssen so aufgebaut sein, daß sie den Piloten nie im Unklaren über den Betriebszustand lassen und ihm stets Eingriff und Übernahme ermöglichen.
Beispiel: Bedienung des Autopiloten im Airbus A340
Die Eingabeknöpfe sind alle unterschiedlich geformt, so daß sie nicht nur unterschiedlich aussehen, sondern sich auch unterschiedlich anfühlen. Werden sie gedrückt, so wird der Autopilot vollautomatisch nach den Informationen des Flugweg- und Flugleistungsrechners betrieben - You have control ! Werden sie gezogen, so arbeitet er quasi halbautomatisch. Alle Steuerungsbefehle werden vom Piloten über diese Knöpfe an den Autopiloten gegeben. Der wichtigste Schalter des Autopiloten befindet sich an der Steuersäule - der OFF- Schalter . Wird dieser gedrückt, ist der Autopilot sofort ausgeschaltet und der Pilot fliegt manuell.
Die wichtigste Neuerung der letzten Jahre war die Schaffung einer direkten Verbindung zwischen Endnutzer, dem Linienpiloten, und Hersteller. Linienpiloten werden heute bei der Konstruktion neuer Flugzeuge bereits in der Designphase mit eingebunden, so z.B. bei der Entwicklung der B 777 und nun im Evaluation Team A380.
Flugzeugbetreiber - Airlines
Airlines müssen ihre Flugzeuge nach den Vorgaben der Hersteller betreiben. Die Unternehmensphilosophie muß durchgängig in allen Betriebs- und Verfahrensvorschriften umgesetzt werden. Z.B.: Alle Flüge sollen nach den folgenden Grundsätzen geplant und durchgeführt werden:
1. Sicherheit
2. Wirtschaftlichkeit / Passagier Komfort / Pünktlichkeit
Ständige Überprüfung der Sicherheit im Betrieb durch eine nicht weisungsgebundene Abteilung, Einrichtung eines Meldesystems für Vorfälle/ Unfälle, Analyse und Bekanntmachung dieser Vorfälle, um Wiederholung zu vermeiden. Damit das Prinzip - Share your Experience - auch optimal genutzt werden kann, muß dieses Meldesystem vertraulich sein und darf keinesfalls zur Disziplinierung oder Bestrafung des Meldenden benutzt werden. Aus Unfällen oder Vorfällen gewonnene Erkenntnisse müssen sofort umgesetzt werden, z.B. in geänderten Arbeitsverfahren. Die Airlines sind gesetzlich verpflichtet, Unfallverhütungs- und Flugsicherheitsprogramme in ihren Betrieben zu installieren, mit denen das Risikobewußtsein aller am Flugbetrieb Beteiligter geschult und auf hohem Standard gehalten wird; d.h. auch das mit der Reinigung der Passagierkabine beauftragte Personal muß wissen, das verschüttetes Putzwasser eine hohe Gefährdung der Flugsicherheit bedeuten kann und dies sofort melden. Das Personal muß kontinuierlich weitergebildet werden, beispielsweise sollen Piloten in kurzen Zeitabständen im Simulator realitätsnahe Gefahrensituationen im Team üben können. Als optimal haben sich vier Trainingseinheiten pro Jahr herausgestellt : zwei zur Überprüfung der tecnical skills, wie z.B. Beherrschen von Triebwerksausfällen und zwei zum trainieren von human skills, wie z.B. CRM
Gesetzgeber - international/ national
Die ICAO ( International Civil Aviation Organisation )als Unterorganisation der UN formuliert die allgemeinen, weltweit gültigen Regeln der Luftfahrt wie z.B. Ausrüstung, Leistungsgrenzen und Wartung von Flugzeugen, Verfahren zum Betrieb, Rechte und Pflichten der Besatzung, Zusammenstellung, Qualifikation, Ausbildung der Besatzung, Flugdienst und Ruhezeiten. Die Piloten sind über ihren Weltpilotenverband IFALPA neben den Vertragsstaaten der ICAO an der Ausarbeitung dieser Regeln beteiligt. Die Staaten haben sich im Vertrag von Chicago verpflichtet, diese Regeln anzuerkennen und in ihr nationales Recht umzusetzen. Leider kommen aber nicht alle Staaten dieser Verpflichtung nach, so daß es weltweit noch zum Teil gravierende Unterschiede im Luftfahrtrecht gibt.
Aufsichtsbehörden ( Aviation Authorities )
Die Aufsichtsbehörden überprüfen die Unternehmen regelmäßig auf Einhaltung der Sicherheitsstandards. Sie legen die Inhalte von Ausbildung und Überprüfung von Piloten ( und anderer an der Luftfahrt Beteiligten, wie z.B. Wartungspersonal ) fest und erteilen die Lizenzen. Sie führen Flugunfalluntersuchungen durch ( die als Flugunfalluntersucher ausgebildeten Piloten der Vereinigung Cockpit sind hieran ebenfalls beteiligt ) , analysieren die Unfallursachen und verhindern durch Veränderung der Verordnungen / Betriebsverfahren deren Wiederholung. · Flugsicherung Die Fluglotsen der DFS in Deutschland, die Partner der Piloten am Boden, stellen sicher, daß der immense Flugverkehr auch kooordiniert ablaufen kann. Sie stimmen die Flugpläne der einzelnen Maschinen aufeinander ab und sorgen für die Einhaltung der geforderten vertikalen und lateralen Sicherheitsabstände bei Start, Reiseflug, Anflug und Landung. Leider sind sie bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben auch heute noch nicht angemessen ausgerüstet, so gibt es im europäischen Luftraum noch zu viele nationale Grenzen, die nationalen Computersysteme sind nicht kompatibel und der knappe Luftraum wird basierend auf den Navigationseinrichtungen der sechziger Jahre nicht optimal genutzt.
Berufsverband ( Vereinigung Cockpit / IFALPA )
Im Berufsverband werden die Stimmen der Piloten gebündelt und im Konzert der Beteiligten an der Luftfahrt hörbar gemacht. In der Vereinigung Cockpit ( German Airline Pilots Association ) werden neben den tarifpolitischen vor allem die berufspolitischen Ziele der Verkehrspiloten formuliert. Diese Arbeit wird hauptsächlich von aktiven Linienpiloten ehrenamtlich in ihrer Freizeit geleistet, der direkte Praxisbezug ist so gewährleistet. Das oberstes Ziel der VC ist es, die Interessen der Piloten bei Politikern, Behörden, Flugzeugherstellern und Fluggesellschaften konsequent zu vertreten und so die größtmögliche Sicherheit der Besatzungen und ihrer Passagiere sicherzustellen.
Auch für den Luftverkehr der Zukunft bleibt gültig :
Das heutige Sicherheitsniveau kann nur gehalten bzw. erhöht werden, wenn neben der Entwicklung neuer Technologien auch die Weiterentwicklung der Standards bei der Auswahl und Qualifikation des menschlichen Nutzers höchste Priorität erhält. Nur wenn Mensch und Maschine optimal zusammenwirken können, ist eine sichere Flugdurchführung möglich. Nur wenn alle an der Luftfahrt Beteiligten vertrauensvoll zusammenarbeiten, läßt sich das Restrisiko weiter minimieren. Oberstes Ziel aller muß sein, dem höchstmöglichen Sicherheitsniveau die größte Priorität einzuräumen. Doch trotz aller Anstrengungen wird in der Luftfahrt, wie auch in anderen Lebensbereichen, eine absolute Sicherheit ohne jegliches Risiko wohl unerreichbar bleiben.