Flight Safety

Social Media im Cockpit?

Private Foto- und Filmaufnahmen im Cockpit unterliegen vor allem bei Unfällen zunehmend großer Bedeutung.

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Nach ICAO Annex 13 ist das alleinige Ziel einer Flugunfalluntersuchung nicht die Klärung von Schuld und Haftung, sondern die Aufklärung der Unfallursache, um eine Wiederholung zu vermeiden und so weiter Flugunfälle und -zwischenfälle zu verhindern.

Dazu wurden den Untersuchern weitgehende Rechte eingeräumt. Während sich die Spezialistinnen und Spezialisten zu Beginn nur auf die Analyse von Wrackteilen und Beobachtung von Zeugenaussagen beschränken mussten, beinhaltet eine Untersuchung heute eine Vielzahl von Elementen. Vor allem der Cockpit Voice Recorder (CVR) und der Flugdatenschreiber (FDR) sind hierfür elementare Quellen. Entsprechend stehen diese auch nach internationalem Recht unter besonderem Schutz.

Mittlerweile bedienen sich Untersuchungen jedoch nicht mehr alleine der flugzeugseitigen Daten. In dem zunehmend komplexen Umfeld der Luftfahrt kann sich eine Untersuchung nicht mehr nur auf das Flugzeug, die Umwelt und die unmittelbaren Handlungen der Crew beschränken. Schon vor über zehn Jahren erlaubte der Einzug der Digitalisierung den NTSB (National Transportation Safety Board )-Beamten und Beamtinnen 2013 bei der Untersuchung eines Landeunfalls einer FedEx MD-11 in Tokio erste Rückschlüsse auf begleitende Umstände. „Fatigue“ stellte sich als ein entscheidender Faktor heraus. Der Unfallbericht erwähnte dabei stundengenaue Schlafenszeiten der beiden Piloten anhand der Analyse von Dienst- und Ruhezeiten, Aussagen der Hinterbliebenen über Telefongespräche, Zeugenberichte von Hotelangestellten und eine Betrachtung der Hotelzimmerkartenbenutzung in der Nacht vor dem Flug.

Mittlerweile enthalten viele Abschlussberichte sehr detaillierte Einblicke in die Aktivitäten der Besatzungen auch außerhalb der Dienstzeiten und das bis mehrere Tage vor einem Unfall. Gerade die Berichte der NTSB beleuchten minutengenau Hotel-Key-Card-Verwendung, Logins in das Crewportal, Telefon- und Laptopverwendung oder sogar den Inhalt einzelner Textnachrichten:

"He logged into the CrewTrac system at 1421 and 1658, made telephone calls at 1624, 1801, 1915, and 1930,31 and received a call at 1649." (NTSB im Unfallbericht eines Airbus A300, Flug UPS 1354, Birmingham, AL)

"About 2 hours later, she sent another text stating, “hey, ba[c]k in the…office, and I’m sleepy... ." (NTSB im Unfallbericht einer Dash Q8-400, Flug Colgan Air 3407, Buffalo, NY)

Diese Daten unterliegen eigentlich dem Datenschutz und auch wenn Sie für die Aufklärung der Hintergründe eines Flugunfalls dienlich waren, ist deren Verwendung durch die Flugunfalluntersucher durchaus kritisch zu betrachten.

Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang der Absturz eines Hawker Hunter T7 Jets bei einer Flugshow in England im Jahr 2015. Während einer Akrobatikvorführung führte der Pilot eine Kunstflugfigur in zu niedriger Höhe aus und stürzte dabei auf eine Autobahn. Er selbst überlebte, elf Menschen am Boden kamen allerdings ums Leben. Der Bericht der AAIB bezog sich neben den flugzeugseitigen Systemen und der Zeugenaussage des Piloten auch auf die Filmaufnahmen der von ihm im Cockpit installierten Actionkameras sowie den Daten, die sein Smartphone während des Unglücksfluges aufgezeichnet hatte.

Nachdem der Abschlussbericht der englischen Behörde erschienen war, versuchte die Staatsanwaltschaft die Zeugenaussagen, die aufgezeichneten Daten und die sichergestellten Videoaufnahmen für ein Verfahren wegen fahrlässiger Tötung gegen den Piloten zu beschlagnahmen. Eines der höchsten Gerichte Englands urteilte, dass zwar die Aussagen und ggf. Daten des CVR und FDR (Hawker Hunter T7 hat weder CVR noch FDR installiert) durch ICAO Annex 13 unter besonderem Schutz stehen. Bei den Videoaufnahmen erfolgte jedoch eine Abwägung zwischen den Persönlichkeitsrechten des Piloten und dem Interesse der Öffentlichkeit. Gerade unter dem Aspekt, dass der Pilot die Kameras selbst auslöste und sich der Aufnahme bewusst war, entschied das Gericht, dass diese der Staatsanwaltschaft zugänglich gemacht werden müssten.

Bildmaterial unserer Arbeit, sei es ein Einblick in unseren Berufsalltag oder auch nur die sonnige Aussicht außerhalb des Flugzeuges, sind tolle Aufnahmen. Dank Smartphone können sie nicht nur von öffentlichkeitswirksamen Influencern, sondern mittlerweile von fast jedem geteilt werden, sei es in den sozialen Medien oder nur in Form einzelner Nachrichten an Freunde oder Familie.

Wir wollen hier keine Diskussion über soziale Medien, das Auftreten von Influencern, die Angemessenheit des Fotomaterials oder die Nutzung des Smartphones am Arbeitsplatz anstoßen. Piloten sollten sich jedoch stets bewusst sein, dass sämtliches von Ihnen aufgenommenes Bild- und Videomaterial nicht dem gleichen Schutz unterliegt wie der Inhalt der CVR und FDR. Das gilt nicht nur für den Flugdienst selbst, sondern gleichermaßen auch für den Zeitraum und die Aktivitäten vor dem Dienstbeginn. Sollte etwas schief gehen, so können diese Aufnahmen, auch vor einer Veröffentlichung, von Strafverfolgungsbehörden beschlagnahmt und als Beweismaterial sichergestellt werden.