Mittwoch, 02 Dezember 2009

Skandal um Flugdienstzeiten bei LBA und LTU/Air Berlin

Wie aus dem Bericht des WDR-Wirtschaftsmagazins „Markt“ vom 30.11.2009 hervorgeht, besteht der Verdacht, dass der Chefpilot der LTU/Air Berlin Group am 11. August 2009 wissentlich gegen die gesetzlichen Vorschriften zu Flugdienstzeiten verstieß, um die Folgen eines Streiks bei der Air Berlin-Tochter LTU möglichst gering zu halten. Da sich an diesem Tag nahezu alle LTU-Piloten an dem Streik beteiligt hatten, setzte LTU auf einem Langstreckenflug von Düsseldorf nach Bangkok einen Management-Piloten ein. Dieser war allerdings seit den Morgenstunden im Bürodienst tätig. Somit konnte er die gesetzlich vorgeschrieben Ruhe- und Flugdienstzeiten nicht einhalten, so der Bericht.

„Dass Regelflugdienstzeiten nicht eingehalten werden ist kein Einzelfall.“, bestätigt Jörg Handwerg, Pressesprecher der Vereinigung Cockpit (VC), „Immer häufiger wird bei den Einsatzplänen an die maximal erlaubte Flugdienstzeit herangegangen, so dass es schon bei leichteren Verzögerungen zwangsläufig zu Überschreitungen kommt.“ Auf WDR-Anfrage teilte das Luftfahrt-Bundesamt (LBA) mit, dass in den vergangenen sechs Monaten 218 Überschreitungen der gesetzlich vorgeschriebenen Regelflugdienstzeiten von den Airlines gemeldet wurden. „Die tatsächliche Zahl ist vermutlich viel höher“, ist Handwerg überzeugt, „da unseren Informationen zufolge das LBA sogar auf Meldungen unter einer Stunde Überschreitung verzichtet.“ Bis zu einer gewissen Grenze sind Überschreitungen gesetzeskonform. Im vorliegenden Fall geht es aber um eine Überschreitung über jegliches legales Limit hinaus, von der das LBA im Vorfeld Kenntnis erhielt und trotzdem nichts unternommen hat, um diese vor Eintritt zu verhindern beziehungsweise den Sachstand zu klären.

Die Vereinigung Cockpit sieht in der Praxis der Kontrollausübung beim LBA deutliche Anzeichen dafür, dass man nicht die nötige Distanz zu den Luftfahrtgesellschaften hält. So hat das LBA über die ohnehin unzureichenden Regelungen hinaus mehreren Airlines unbefristete und befristete Ausnahmegenehmigungen erteilt, ohne aber darüber Auskunft zu erteilen, an wen diese vergeben wurden. Die Vereinigung Cockpit bestätigt zudem die WDR-Recherchen, wonach sich das LBA weigerte, im oben geschilderten Fall die Anzeige eines um die Luftsicherheit besorgten LTU-Kapitäns entgegen zu nehmen. Er ist nun von disziplinarischen Maßnahmen seines Arbeitgebers bedroht, weil das LBA den Namen des Kapitäns an LTU weitergab, anstatt sich um die Gefahrenabwehr zu kümmern. „Diese Vorgang ist skandalös“, beschwert sich VC-Sprecher Handwerg, „das LBA denunziert den Antragsteller und setzt sich somit dem Verdacht aus, nicht als Kontrolleur der Luftsicherheit aufzutreten, sondern als Gehilfe des beschuldigten Luftfahrtunternehmens. Das Unfallrisiko steigt exponentiell mit der Dienstzeit an, so dass wir bei der im Bericht unterstellten Dienstzeit von einem massiv erhöhten Risiko ausgehen müssen.“

Die Vereinigung Cockpit hat in jüngster Zeit immer wieder auf die Gefahren von Übermüdung bei Piloten gewarnt.

 

Für Rückfragen: VC-Pressesprecher Jörg Handwerg (0176/16959000) oder VC-Pressestelle (069/695976-102)

 

Weiterführende Links:

  • „Möbus-Report“ (von der Europäischen Flugsicherheits Agentur (EASA) im Auftrag der EU Kommission in Auftrag gegebene wissenschaftliche Expertise zur Flugdienst- und Ruhezeiten Problematik)
  • EU-OPS Subpart Q

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Die Vereinigung Cockpit ist der Berufsverband des Cockpitpersonals in Deutschland. Er vertritt die berufs- und tarifpolitischen Interessen von derzeit rund 8.200 Mitgliedern bei sämtlichen deutschen Airlines und sieht darüber hinaus seine Aufgabe in der Erhöhung der Flugsicherheit in Deutschland.
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