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LOWCOST – EIN STEINIGER WEG
Obwohl manch ein Reisender schon feststellen musste, dass sein Lowcost-Ticket nach den vielen Extras und Zusatzgebühren teurer war als ein vergleichbares Ticket einer anderen Gesellschaft, beginnt Lowcost für den Verbraucher immer wieder mit einem günstigen Ticketpreis.
Für die Fluggesellschaften hingegen beginnt Lowcost schon bei den Strukturen im Unternehmen. Einige Unterschiede zwischen klassischen Airlines und Lowcost-Carriern sind dabei offensichtlich. Letztere zeichnen sich in der Regel durch eine schlanke Unternehmensstruktur mit geringen Overheadkosten aus. Großbestellungen einer einheitlichen Flugzeugflotte führen durch hohe Rabatte ebenso zu Kostenvorteilen wie eine durch Streckenstruktur und kurze Turnaround-Zeiten optimierte Nutzung der Flugzeuge. Hinzu kommt eine Reduzierung des Tickets auf die reine Beförderungsleistung. Alle anderen Leistungen kosten extra.
Andere Kostenvorteile sind für den Verbraucher weniger offensichtlich, für die Arbeitnehmer aber umso spürbarer. So z. B. schlechtere Arbeitsbedingungen bei niedrigeren Einkommen, das Ganze oft ohne den Schutz von Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen.
Ein weiterer Aspekt von Lowcost scheint konstanter Druck auf die Mitarbeiter und ein damit verbundener Führungsstil von Angst und Schrecken zu sein. Denken wir z.B. an die Kündigung aller Tarifkommissionsmitglieder bei Germania im Jahr 2010. Eine illegale Maßnahme mit dem alleinigen Zweck, sich über die Angst um den eigenen Arbeitsplatz einer Arbeitnehmervertretung zu entledigen. Wie an dieser Stelle, so kämpft die Vereinigung Cockpit auch bei Ryanair und anderen immer wieder für eines der grundlegendsten Bedürfnisse in einem Arbeitsverhältnis – das Recht des Arbeitnehmers, nicht jeden Tag aufs Neue Angst um den eigenen Arbeitsplatz haben zu müssen.
Die Methoden dieses perfiden Führungsstils sind vielschichtig und reichen von der Vertragsgestaltung (Pay2Fly, Zero-Hour-Contract, Scheinselbstständigkeit) über willkürliche Versetzungen an andere Stationierungsorte bis hin zu subtilem Druck mittels ebenso willkürlicher Personalgespräche aus diversen Gründen.
EIN GEFÄHRLICHER WEG
Dass die Ausübung von Druck auf die Piloten spätestens bei der freien Entscheidungsfindung auch sicherheitsrelevant wird, ist für uns Piloten selbsterklärend. Spätestens seit der gleichzeitigen Luftnotlage (Mayday) von drei Ryanair-Maschinen aufgrund einer geringen Rest-Treibstoffmenge werden die Schwächen im System aber auch für die Öffentlichkeit sichtbar. Da nützt es auch nichts, sich auf das gesetzliche Minimum zu berufen. Hätten sich alle Fluggesellschaften an diesem Tag so verhalten, hätte der Fluglotse entscheiden müssen, wen er noch landen lässt und wem während des Wartens auf den Anflug der Treibstoff ausgeht.
Seit jeher setzt sich die Vereinigung Cockpit für die Flugsicherheit ein. Wir zeigen Defizite auf, benennen die Mängel und deren Verursacher, prangern manchmal an und loben die, die es besser machen. Immer mit dem Ziel, die schwarzen Schafe von heute durch kontinuierliche Verbesserungen auf einen akzeptablen Standard zu heben.
Was wir aktuell erleben, erfüllt mich jedoch mit großer Sorge. Zu sehen ist kein Trend, Angst und Druck zu vertreiben und sich bei der Flugsicherheit an den Besseren und Besten zu orientieren. Vielmehr schwappt das Prinzip des Regierens über die Angst nun auch auf die etablierten Unternehmen über.
GERMANWINGS AUF DEM IRRWEG Germanwings hat vor eineinhalb Jahren eins der tragischsten Unglücke der zivilen Luftfahrt erlebt. Der Unfallbericht hat zu vielen Diskussionen um Untersuchungen des psychischen Zustands von Piloten geführt. Einige dabei entwickelte Vorschläge eigneten sich eher für eine Hetzjagd denn für medizinisch fundierte Erkenntnisse. Mittlerweile wurde bei ersten Piloten die psychologische Tauglichkeit in Frage gestellt, weil sie eine Kur beantragt haben.
Ausgerechnet bei diesem Unternehmen wurde nun ein Pilot aufgrund einer kritischen Aussage zur Firmenstrategie vom Management – aus Zweifeln an seiner psychologischen Tauglichkeit – vom Flugdienst suspendiert und zum Arzt geschickt. Dabei sollte die Aussage, sich nicht am Aufbau der Eurowings beteiligen zu wollen, sondern sich eher dagegen wenden zu wollen, bei einem Germanwings-Angestellten, der mit dem Aufbau der Eurowings seinen eigenen Arbeitsplatz ersetzen soll, nicht weiter verwundern.
Statt sich mit den Sorgen der Mitarbeiter auseinander zu setzen, hat sich das Germanwings-Management jedoch für den vermeintlich leichteren Weg, den Aufbau von zusätzlichem Druck, entschieden. Die Bedrohung mit Lizenzverlust als disziplinarische Maßnahme für unliebsame Äußerungen dient ausschließlich dazu, Mitarbeiter mundtot zu machen. Die Personalvertretung der Germanwings empfiehlt mittlerweile ihren Piloten, sich nicht mehr kritisch zu äußern und nur noch gesetzlich vorgeschriebene Reports zu verfassen. Die Grenze zwischen dem Aufzeigen von Sicherheitsdefiziten und dem Äußern von Kritik am Unternehmen ist eben fließend.
Ich habe vom vermeintlich leichteren Weg gesprochen. Offensichtlich ist die Aussicht, Probleme durch den Aufbau von Druck unter dem Deckel zu halten, zu verlockend. Vergessen wird dabei, was mit einem Topf passiert, wenn Temperatur und Druck bei geschlossenem Deckel immer weiter ansteigen.
Was dies für die innerbetriebliche Kultur und damit auch für die Arbeitsmoral bedeutet, bedarf keiner weiteren Erklärung. Das durch das Unterdrücken von kritischen Stimmen aber auch eine in der Industrie einmalige Sicherheitskultur zerstört wird, gerät dabei gerne in Vergessenheit. Andere Branchen beneiden uns um unseren offenen Umgang mit Fehlern und Kritik. Nur so werden Schwächen konsequent aufgedeckt und beseitigt, bevor sie zu Unfällen führen. Dieses System lebt von Offenheit und Vertrauen, während Angst und Druck seine Sargnägel sind.