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„Feuer an Bord", dieser Ausruf ist Ausdruck höchster Gefahr für Schiffe, Flugzeuge und deren Besatzungen. Damit verbunden absolute Priorität bei Lokalisierung und Bekämpfung, um den Totalverlust des Transportmittels zu vermeiden oder wenigstens das eigene Überleben zu sichern.
Schon in der Antike wurde fast die ganze arabische Schiffsflotte während der beiden Araber-Belagerungen Konstantinopels durch Feuer vernichtet, in der Seefahrt stellt ein Brand an Bord eine größere Bedrohung als Leckagen, Sturm oder andere Störungen dar – die Gefahr potenziert sich in der Luftfahrt: Es gibt kein Notaufstoppen, keine Rettungsboote und keine Löschtrupps, darüber hinaus das Ganze kombiniert mit extremer Leichtbauweise.
Auf der anderen Seite werden die Systeme immer komplexer, im Flugzeug befinden sich mehrere Kilometer elektrischer Kabel, die die Bordunterhaltung, Navigation, Rechner, Flugsteuerung, Kommunikation, Bildschirme, Küchen etc. versorgen. Die Frachträume werden mit selbstgepackten Koffern und Gefahrengütern beladen, Personal wird reduziert. Das ursprüngliche
3 Mann-Cockpit durch ein elektronisiertes 2 Mann-Cockpit ersetzt.
Checklisten werden komplizierter und umfangreicher, können aber längst nicht alle Eventualitäten abdecken und für eine erfolgreiche Brandbekämpfung im Flug stehen weniger Leute zur Verfügung.
Im März 2003 musste eine gerade in New York gestartete 757 aufgrund Qualmentwicklung in der Kabine notlanden. Zum Glück wurde niemand verletzt. Der Flug einer MD11, Flugnummer SR111, endete mit dem Absturz ohne Überlebende. In beiden Fällen war die Ursache ein Brand in der Verkabelung des Bordunterhaltungssystem.
Meldungen über Zwischenfälle, Diversions und Notlandungen aufgrund von Rauch oder Feuer im Flugzeug/Cockpit erreichen uns mittlerweile fast täglich.
Frachtflugzeuge verfügen über spezielle Sensoren und Feuerlöscheinrichtungen in den Frachträumen, um ein Feuer zu entdecken, ggf. zu lokalisieren und zu bekämpfen, dafür sitzen im Cockpit in der Regel nur zwei Mann, mit Glück drei, der Zugang in den Frachtbereich ist nicht oder nur schwer möglich und die direkte Brandbekämpfung in diesem Bereich kaum möglich (wer schickt schon gerne seinen Copiloten nach hinten, um mal mit dem Feuerlöscher nachzuschauen). Andererseits werden Gefahrengüter befördert (Brandbeschleuniger u.ä.), die für die Beförderung in Passagierflugzeugen gar nicht zugelassen sind. Die Brandbekämpfungsanlagen der MD11 sind z.B. auch nur darauf ausgelegt, den Brand zu unterdrücken, nicht zu löschen! Dies führte am 5. September 1996 (beim Fedex-Flug 1406, mit Notlandung Stewart International Airport, Newburgh) zum Totalverlust der DC10.
Studien haben ergeben, dass uns ca. 15 – 30 Minuten von den ersten Anzeichen eines Feuers bleiben, bevor das Flugzeug aufgegeben werden muss, bzw. nicht mehr fliegbar ist (Fedex DC10 1406 : 18 Min., SR111 : 19 Minuten). Die Arbeitsbelastung steigt extrem aufgrund von Zeitdruck, Koordinierungsproblemen, auftretenden Systemausfällen und Flugsteuerungsproblemen. Bei Passagierflugzeugen kommen vermutlich Kommunikationsprobleme mit der Kabine sowie eventuell auftretende Panik unter den Passagieren hinzu.
Das Hauptproblem stellt wohl die Bewertung der aufgetretenen Störung dar: Das Herausfinden der Ursache und Lokalisieren des Brandherdes. Handelt es sich um ein verschmortes Kabel, einen sich langsam entwickelnden Schwelbrand, ein offenes Feuer oder bloße Rauchentwicklung? Welche Möglichkeiten der Brandbekämpfung gibt es, was sieht die Checkliste vor, wie zeitkritisch ist der Vorfall, muss ich notlanden!!!
Die Zuarbeit auf Passagierflugzeugen durch Passagiere und Kabinenbesatzung ist bestimmt besser als auf Frachtflugzeugen. Aufgaben können delegiert werden, die Brandbekämpfung z.B. im Kabinenbereich bindet weniger Kapazitäten im Cockpit.
Dafür muss auf Frachtflugzeugen weniger Rücksicht auf die Druckkabine genommen werden, in der Regel verfügt die gesamte Besatzung über 100% Sauerstoff, die Kabine kann in großer Höhe drucklos gemacht werden, um das Feuer einzudämmen.
Das Zeitproblem insbesondere bei unklarer Lage in Bezug auf Art und Ort des Feuers bleibt.
Zum Abbarbeiten der Checkliste Fire/Smoke in the Cockpit der MD11 benötigt man mindestens 5 – 7 Minuten, dazu die Kommunikation mit den Bodenstellen, interne Absprachen, Einleiten einer Notlandung auf einem geeigneten Flugplatz, Informationsabgleich mit dem Rest der Besatzung, Standardchecklisten und Bewertung – 30 Minuten werden da verdammt kurz, insbesondere, wenn dann noch weitere Systemausfälle hinzukommen, mit denen man gar nicht gerechnet hat.
Das nächste Problem ergibt sich aus der Flugphase. Nach dem Start wird man höchstwahrscheinlich wieder am Startplatz bzw. einem Platz voraus landen. In der Regel eine Overweight Landing, da zum Sprit-ablassen keine Zeit mehr sein wird. Alles wird entsprechend schnell gehen, damit wächst das Risiko von einfachen Verfahrensfehlern, die unter normalen Umständen nie vorkommen würden. Entsprechend wenig Zeit haben auch die Flugplatzdienste (ATC, Feuerwehr, Ground Control), um Hilfsmaßnahmen einzuleiten und Unterstützung zu geben. Eine Option: Militärflugplätze, die weniger frequentiert sind, über gute Rettungsmittel verfügen und die Möglichkeit eines PAR (Precision Approach Radar)-Anfluges selbst bei Ausfall von bord-eigenen Navigationshilfen oder Rauch im Cockpit bieten (Standard Tower-Frequenz aller NATO-Militärflugplätze 122,1 bzw. Hörbereitschaft auf 121.5). Der PAR Approach bietet die Möglichkeit eines zuverlässigen Präzisionsanfluges unabhängig von der Windrichtung, da er innerhalb weniger Minuten auf die am besten anfliegbare Landerichtung ausgerichtet werden kann. Die Minimas entsprechen denen eines Cat I ILS-Anflugs, alle benötigten Informationen (Lost Comm., Missed Approach, Minimas) können auf der Frequenz übermittelt werden
Mit noch höherem Zeitdruck verbunden ist wohl das Feuer an Bord während des Landeanflugs. Dafür fällt die Entscheidungsfindung entsprechend leichter, Notlandung am Bestimmungsflugplatz oder einem davor gelegenen geeigneten Platz. Hoffen, dass keine kritischen Systemausfälle auftreten und Luftnotlage erklären.
Am kritischsten bezogen auf zu treffende Entscheidungen und Maßnahmen ist wohl der Reiseflug insbesondere bei Lang-streckenflügen. Bei zeitkritischer Feuerentwicklung bleibt nur die Notwasserung oder Notlandung im Außengelände, eine schwerwiegende und nicht leicht zu treffende Entscheidung. Zeitdruck, Angst vor Fehlentscheidungen und die Möglichkeit eines Fehlalarmes rauben Kapazitäten, die durch den Rest der Besatzung ausgeglichen werden müssen!
Welche Möglichkeiten gibt es? Nächste Flugplätze , Resourcen am Platz, wie geeignet ist der Flugplatz oder besteht schon bei dem Versuch der Landung das Risiko der Beschädigung des Flugzeuges? Wie geht es danach weiter (Technik, Versorgung der Passagiere, Fracht etc.)?
Wieviel Zeit bleibt, wenn nicht sofort gelandet wird, wieviel Zeit wird benötigt?
Rauch in der Kabine, Schwelbrände oder auch nur bloßer Brandgeruch treten häufiger auf als erwartet, allein im Jahr 2004 300 gemeldete Vorfälle plus Dunkelziffer. In den seltensten Fälle wurde eine Landung auf dem nächstgelegenen Flugplatz eingeleitet.
Unfälle der letzten Jahre zeigen, dass von Seiten der Branddämmung, Isolierung und Produktion (SR 111) einiges zu verbessern ist und auch die NOTOC (Notification to Captain), die Art und Menge der Gefahrengüter auflistet, bei weitem nicht korrekt und vollständig ist (Fedex 1406).
Die Gefahr eines Feuers an Bord steigt mit Zunahme der hochkomplexen elektronischen Systeme und Reduzierung an Personal im Flugbetrieb, das Produktions- und Verfahrensfehler auffangen kann.
Wie schnell wird ein Behälter mit Gefahrengütern beschädigt und beladen? Ein Brand entwickelt sich über die Flugzeit, sei es durch schleichende Beschädigungen (Korrosion, Ermüdungsbrüche, Materialermüdung), fehlerhafte Beladung oder unzureichende Wartung.
Da der Faktor Zeit in Verbindung mit Feuer-/
Rauchentwicklung kritisch ist und ein schneller Boxenstopp mit optimaler Brandbekämpfung nicht in Frage kommt, sollte man sich schon im voraus Gedanken zu diesem Thema in Abhängigkeit von den einzelnen Flugphasen machen.
Hierzu einige Denkanstöße:
Am Boden/während des Rollens:
- Priorität hat die sichere Evakuierung der Passagiere und Besatzung, eine Gefährdung benachbarter Flugzeuge sollte, soweit möglich, reduziert werden.
- Unverzügliche Alarmierung der Bodenstellen/Feuerwehr mit Hinweis auf Gefahrengüter und Anzahl der Personen an Bord (Besatzung, Passagiere). Bei einem Flugunfall eines Militärflugzeuges in den Niederlanden kamen durch die Löscharbeiten zahlreiche Passagiere ums Leben, da die Anzahl der Personen an Bord nicht weitergegeben wurde.
In der Luft:
- Wo brennt es, welche Möglichkeiten der Brandbekämpfung (Personal, Löschmittel) gibt es?
- Wie lange brauche ich für eine unverzügliche Landung, welcher Platz bietet die besten Voraussetzungen (Wetter, Bahn, Feuerwehr, Kommunikation), was muss/kann ich tun, wenn sich die derzeitige Situation
drastisch verschlechtert (Crash/Notlandung)? Die Informationsweitergabe an ATC, Cockpit und Kabine ist extrem wichtig, um eine bestmögliche Unterstützung zu erhalten.
Nach der Landung:
- Situationsbeurteilung, Informationsweitergabe nach innen und außen, Evakuierung. Welche Notausgänge stehen noch zur Verfügung? Von wo findet die Brandbekämpfung statt, was kann ich im Cockpit tun, um die besten Voraussetzungen für eine gute Brandbekämpfung und Evakuierung zu schaffen? Triebwerke, Strom aus, Rettungsmittel mit von Bord nehmen
(Crashlandung), Funkverbindung aufrechterhalten (siehe auch AC 120-80 der FAA).
Fehler sind menschlich und Flugzeuge werden von Menschen konstruiert, gebaut, gewartet und geflogen. Der Faktor Mensch kann beitragende Ursache zu Unfällen und Zwischenfällen sein. Kein Flugzeugingenieur oder Computerprogrammierer kann diese Fehlerquellen ausmerzen, keine Checkliste alle Abnormalitäten abdecken. Die Arbeiten im Flugzeug, der Wartung, auf der Laderampe sind fast immer gepaart mit Zeitdruck, insbesondere wenn Störungen von außen dazukommen.
Mit den Fehlern zurechtkommen müssen die Piloten; die Notlandung, wo auch immer, muss eine feste Option in unserem Hinterkopf sein – schon um aus Fehlern der Vergangenheit zu lernen.
Im August ist ein Advisory Circular der FAA, das AC 120-80, erschienen (per Download unter www.faa.gov erhältlich), das sich ebenfalls intensiv mit dem Thema Feuer an Bord auseinandersetzt.
Jens Piotter,
AG Accident Analysis