Quelle: Dr. Daniel Schaad, VC

Flight Safety

GBAS und die Terminal Area Paths…revolutionär (und) gescheitert?

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Als ich neulich nach vielen Jahren mal wieder die luftfahrttechnische Außenstelle des Deutschen Museums in München - die sog. „Flugwerft Schleißheim“ - besucht habe, wurde ich gleich im ersten Ausstellungsraum durch ein Exponat überrascht, in dem ich noch vor rund sieben Jahren mitfliegen durfte und zwar im Zuge eines GBAS (Ground Based Augmentation System) Trials der TU Braunschweig. Die Rede ist von der seltenen und heute rund 42 Jahre alten Dornier Do 128-6 (D-IBUF), die lange Jahre als Forschungsflugzeug der Polar- und Wetterforschung für das Alfred-Wegener Institut (AWI) und später dann auch am Institut für Flugführung (IFF) der TU Braunschweig für die Erprobung neuartiger Navigationssysteme und deren Sensorik zum Einsatz kam. 

So wurden bei mir die Erinnerungen an jene Forschungskampagne wieder wach, an der ich als damaliger Leiter der Instrumentenflug-Verfahrensplanung in Österreich teilnehmen durfte. Es ging um etwas, das von vielen in jenen Tagen als Ultima Ratio der modernen Anflugverfahren gepriesen wurde. Andere wiederum blieben (aus heutiger Sicht zurecht) eher skeptisch. Ich rede von den Terminal Area Paths (TAP) der GBAS Technologie, die wir damals an Bord der D-IBUF in Braunschweig mit einer für Forschungszwecke aufgebauten GBAS-Station testen konnten.
Aber eins nach dem anderen. Zunächst einmal:

Was ist eigentlich GBAS?

Wir alle kennen satellitengestützte Navigation, z.B. durch das weit verbreitete Navstar System, allgemein auch GPS (Global Positioning System) genannt. Dabei wird - vereinfacht dargestellt - über die Zeitinformationen empfangener Satellitensignale mehrerer Satelliten (der sog. TDOA – Time Difference of (Signal) Arrival) die Position des Empfängers ermittelt.

Das funktioniert grundsätzlich gut, nur sind die elektromagnetischen Signale auf ihrem Ausbreitungsweg zwischen Satellit und Empfänger natürlich einigen „Störquellen“ unterworfen, die zu einer Verfälschung der Zeitmessung führen und somit die Signalgenauigkeit verschlechtern. Die allergrößte Störquelle ist hierbei die Ionosphäre, eine Zone der Erdatmosphäre mit vielen ionisierten, also geladenen Teilchen, die in rund 60km über der Erde beginnt und sich dann knapp 2000km weit ins All erstreckt. Je nach Ausprägung der Ionosphäre findet hier eine Absorption oder Brechung (Refraktion) der elektromagnetischen Signale statt, was diese eben verzerrt.

Nun kann ich mich allerdings an einen festen Ort auf der Erde stellen, den ich ganz genau vermessen habe und dessen Position ich somit exakt kenne. Wenn ich dann auf meinen GPS Receiver schaue, sehe ich die vom Satellitennavigationssystem ermittelte Position für meinen exakt bekannten Ort. Diese wird natürlich nicht ganz genau mit der tatsächlichen Position übereinstimmen, eben aufgrund der oben genannten Störquellen. Es ergibt sich ein „Delta“, also eine Abweichung, die ich (wieder mal vereinfacht gesagt) zu meiner empfangenen Positionslösung hinzufügen muss, um die tatsächliche geometrische Position zu erhalten. Dieses „Delta“ kann ich ja nun theoretisch jedem Empfänger in meiner unmittelbaren Umgebung mitteilen und somit dessen Positionslösung ebenfalls verbessern. 

Genau das ist das Prinzip von D-GPS, oder Differential GPS (das „Differential“ bezieht sich auf das oben genannte „Delta“) bei dem neben dem Satellitensignal von einer genau vermessenen Referenzstation aus ein Korrektursignal gesendet wird, das ein D-GPS-fähiger Empfänger dann zur Korrektur des Rohsignals heranzieht, um somit eine noch genauere Positionslösung zu errechnen.

GBAS ist nun also ein Anflugführungssystem (wie z.B. auch das allseits bekannte Instrumentenlandesystem ILS) und basiert auf D-GPS, jedoch kommt hier noch etwas Entscheidendes hinzu: GBAS übermittelt über einen Datenlink im VHF Bereich (VHF Data Broadcast oder kurz VDB genannt) neben dem Korrektursignal und einer Stationskennung auch die Sollposition des Flugzeugs, also die geforderte Anflugtrajektorie. Diese kann der sog. „Multi-Mode Receiver“ an Bord des Flugzeugs dann analog zum ILS als horizontale und vertikale Abweichung oder in Form einer Kommandoanzeige darstellen, und wie üblich lässt sich das Signal auch in aller Regel direkt auf den Autopiloten aufschalten. 

Der Vollständigkeit halber sei im Zusammenhang mit dem Differenzial-GPS auch noch das SBAS (Space Based Augmentation System) erwähnt, bei dem die Positionskorrektur über ein Netz von Bodenreferenzstationen erfolgt, deren interpolierte Korrektursignale dann (als Funktion der Empfängerposition) über einen geostationären Satelliten übertragen werden und in einem SBAS-fähigen Empfänger das GPS Rohsignal korrigieren. 

Aber zurück zum GBAS: Die meisten der heute eingesetzten GBAS Systeme (wie beispielsweise auch in Frankfurt) nutzen dieses technische Prinzip um -ähnlich wie beim ILS- einen in der Regel geradlinigen Anflugkurs mit Höhenprofil an das Flugzeug zu übermitteln. Die Vorzüge gegenüber dem ILS liegen hier neben der schnelleren Modifikation des lateralen oder vertikalen Profils in der Tatsache begründet, dass es keine „Localizer Sensitive Areas“ mehr geben muss, die beim ILS aufgrund der Gefahr von Signalstörungen durch Rollverkehr (insb. bei CATII/III Bedingungen) am Boden häufig notwendig sind. Außerdem können von einer GBAS-Station (die zumeist aus 2-4 Referenzstationen besteht) mehrere Pisten mit Anflugverfahren versorgt werden, während beim ILS jede Landebahnschwelle je eine LOC und G/P Antenne benötigt.  

Das volle technische Potenzial von GBAS nutzt allerdings derweil niemand auf der Welt, da es trotz der technischen Möglichkeiten hierzu wohl zu viele operationelle Hürden gibt: die „Terminal Area Paths (TAP)“ als Möglichkeit, bis zu 49 verschiedene laterale und vertikale Anflugprofile an Luftfahrzeuge zu senden und somit Flieger A eine andere Anflugstecke zuzuweisen als Flieger B und Flieger C wiederum eine andere. Das hätte unter Umständen zwar großes ökologisches Potenzial bei der „Track-Mile Reduction“ oder auch der Wirbelschleppen- und Lärmvermeidung, birgt aber operationell offensichtlich zu viele Risiken aufgrund eines wenig geordneten Anflugverkehrs und der aus vielen Anflugpfaden resultierenden Komplexität im Luftraum. 

Der Flughafen Frankfurt hat immerhin einmal in einem Live-Trial die technischen Möglichkeiten der TAPs ausprobiert, als von Ende Mai bis Ende August 2016 im Rahmen des europäischen Forschungsprojekts „Single European Sky Air Traffic Management Research (SESAR)“ sogenannte segmentierte, d.h. auch gekurvte Anflugverfahren auf GBAS Basis getestet wurden, um besonders lärmgeplagte Siedlungsgebiete im Anflugsektor zu umfliegen. Durchgesetzt hat sich die weitreichende Funktionalität der TAPs danach bislang nicht, und nachdem Anfang der 2010er Jahre noch von einem zügigen ILS Ersatz durch GBAS gesprochen wurde, ist es mittlerweile relativ still geworden um die GBAS-Technologie. 

Das erinnert ein wenig an das in den 1990er Jahren entwickelte und oft als die Zukunft der Anflugsysteme beschworene „Microwave Landing System (MLS)“, das trotz technischer Vorzüge leider mangels Ausstattung der Flotten lediglich in London-Heathrow längere Zeit noch ein Schattendasein führen konnte, sich aber letztlich nie durchgesetzt hat. 
Daraus kann man lernen, wie konservativ die Luftfahrt (aufgrund des hohen regulativen Aufwands und weltweiter Kompatibilitätsvoraussetzungen) gegenüber technischen Innovationen reagiert – es zählt eben nicht nur die technische Überlegenheit eines Systems, sondern auch dessen Verbreitungsgrad auf Nutzerseite und die weltweite Harmonisierung der Standards (die bei GBAS allerdings vollumfänglich vollzogen wurde, siehe u.a. SARPS Volume 1, Annex 10 der ICAO und MOPS for a Ground Based Augmentation System (GBAS) ground facility to support CAT I approach and landing (ED-114) von Eurocae) sowie eine möglichst globale Verfügbarkeit.

So führen die Skeptiker von GBAS seit eh und je das bis heute existierende Problem der zu langsamen Verbreitung der flugzeugseitigen Ausstattung für GBAS an. Solange eben noch „Legacy“ Typen wie Boeing 737-3/4/500, A310/A300, oder Boeing 757/767, sowie diverse Regionalflugzeuge an einem Flughafen unterwegs sind und dort eine Precision Approach Möglichkeit angeboten werden soll, führt derweil immer noch kein Weg am ILS vorbei. Das wiederum zerstört den so oft zitierten „Business Case“ von GBAS, bei dem eine GBAS Station zahlreiche ILS Stationen ersetzen könnte und somit viel billiger wäre. So bleibt GBAS oftmals (wie auch in Frankfurt) eine Erweiterungslösung, die einfach nur noch mehr Geld kostet und keinen wirklichen operationellen Zusatznutzen hat. 

In Frankfurt wird der Betrieb dabei häufig mit umweltpolitischen Aspekten gerechtfertigt, wobei es hier hauptsächlich um Lärmschutzmöglichkeiten durch steilere Anflugwinkel geht. Diese lassen sich allerdings auch (wenn auch nicht so flexibel einstellbar) mit konventionellen ILS Anlagen realisieren, wie das Beispiel des „Doppel-ILS“ auf der Piste 07L/25R in Frankfurt zeigt (hier hat das ILS „Zulu“ einen Gleitpfad von 3°, während das ILS „Yankee“ einen 3,2° Winkel hat). Anders als beim ILS ließe sich mit GBAS aber auch das Endanflug-Segment (Final) noch verlängern, wenngleich auch nicht beliebig. Erst damit wäre es in Frankfurt beispielsweise möglich, die Höhe in der vom Base-Leg auf das Final gedreht wird (und damit letztlich auch die Höhe, in der das Downwind-Leg geflogen wird) anzuheben. Denn um ohne weitere laterale Staffelung im Parallelbahnabstand simultan anzufliegen, müssen beide Flugzeuge der Führung durch einen Präzisionsanflug folgen. Dies wäre bei GBAS der Fall, nicht jedoch bei RNP Anflügen und auch beim Localizer des ILS eben nur über eine kürzere Distanz als beim GBAS.

Andere Flughäfen wiederum haben die GBAS Anlagen im Rahmen von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben, wie z.B. dem Single European Sky ATM Research (SESAR) beschafft und sich damit einen gewissen Prestigegewinn und Zugang zu Fördergeldern verschafft.

Zu guter Letzt gibt es aber aus meiner Sicht noch einen weiteren „Totengräber“ von GBAS und der heißt „RNP Approach“. Lange Zeit war dieser in seinen zahlreichen Ausprägungen wie LNAV, LNAV/VNAV (barometrisch) und LPV (SBAS) ausschließlich in der Welt der Nicht-Präzisionsanflüge zuhause und spielte damit keineswegs in derselben Liga wie das Präzisionsanflugsystem GBAS. Nun sind allerdings die dabei möglichen 250 Fuß Entscheidungshöhe auch nicht mehr sehr weit von den 200 Fuß eines CAT I ILS oder GBAS Präzisionsanflugs entfernt, und zudem bringen mittlerweile die meisten kommerziell betriebenen Flugzeugtypen -anders als bei GBAS- für einen RNP Anflug die entsprechende Bordausrüstung mit. 

Zugleich lässt sich dieser Anflugtyp (in seiner komplexeren Version als „Authorization Required“ oder kurz „AR“ Approach) auch gekurvt designen und vor allem: es braucht keinerlei Infrastruktur am Boden, keine Localizer oder Glide Path Antennen, keine Referenzstationen und kein GBAS System. Das ist natürlich insbesondere für kleinere Flughäfen interessant, da die genannten Stationstypen ja neben den Anschaffungskosten auch recht hohe Wartungs- und Betriebskosten mit sich bringen. 

Und zu guter Letzt breitet sich der RNP Approach mit dem als „LPV SBAS Cat I“ oder auch „LPV200" betitelten Verfahrenstyp nun sogar in die Welt der Präzisionsanflüge aus und die magischen 200 Fuß Entscheidungshöhe werden mit einem von geostationären Satelliten korrigierten GPS Signal ohne jegliche Bodeninfrastruktur möglich. Das freut zwar zunächst primär die Allgemeine Luftfahrt und die Business Aviation (da hier die meisten SBAS Empfänger bordseitig verbaut sind), öffnet aber Tür und Tor für weitere Erfolgsgeschichten auch in der Airline-Welt und könnte damit GBAS endgültig überholen und vielleicht sogar verdrängen. 

Dabei sei allerdings angemerkt, dass die geringe Feldstärke der Satellitensignale zu einer leichteren Störempfindlichkeit führen (Stichwort „Jamming“) und sich zudem eine flächendeckende Überwachung der Signalintegrität deutlich schwieriger gestaltet als bei bodengestützten Navigationsanlagen wie dem ILS oder einer VOR Station. Einen großen Teil der kontinuierlichen Signalüberwachung leistet zwar die für RNP verpflichtende „On-Board Monitoring and Alerting“ Funktionalität im Luftfahrzeug, dennoch bleiben viele Flughäfen derweil bei einer Mindestausrüstung von einer bodengestützten Anflugnavigationsanlage (in der Regel ILS für Präzisionsanflüge, VOR/DME für Nicht-Präzisionsanflüge) um auch im Falle einer Störung der Satellitensignale betriebsfähig zu bleiben.

Letzter Trumpf: CAT II

Einen letzten Trumpf allerdings hält GBAS noch gegenüber seiner RNP Approach Konkurrenz im Ärmel: die CAT II „Schlechtwetter“ Anflüge mit Entscheidungshöhen unter 200 Fuß. Das kann SBAS nicht und wird es von der Systemarchitektur her auch nie können, daher wäre dies ein letzter Rettungsanker für den Erfolg von GBAS. Und so konnte man auch gerade Mitte Juli 2022 die Nachricht lesen, dass die DFS nun den CAT II Betrieb des Frankfurter GBAS aufgenommen hat. Von einer „Weltpremiere“ ist dort die Rede – ob das allerdings ein Grund zum Feiern ist? Die Frankfurter GBAS Station ist seit knapp acht Jahren (!) in Betrieb und ursprünglich wollte man im Jahr 2022 sicherlich schon deutlich weiter sein...

Aber so bleibt es spannend in der Welt der Anflugverfahren und letztlich werden Flugzeughersteller und ihre (Airline-)Kunden ganz erheblich darüber mitentscheiden, welche Technologie sich am Ende durchsetzt oder ob Parallelwelten bestehen bleiben.

Nun, all diese Gedanken kamen mir, als ich die rund 42 Jahre alte Dornier Do 128-6 im Deutschen Museum wiedergesehen habe und schöne Erinnerungen an gekurvte Test-Anflüge in Braunschweig wach geworden sind – der Museumsbesuch hat sich nicht nur deshalb wieder einmal wirklich gelohnt!

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