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Sehr weit entfernt fand das diesjährige Treffen der Internationalen Akademie für Flug- und Raumfahrtmedizin statt. In Sydney traf man sich, um aktuelle Themen vorzutragen und diese zu erörtern. Inhalte waren u.a. Ultra Long Range Flights, Höhenstrahlung und Incapacitation Risk. Interessante Dialoge konnten mit Vertretern von verschiedenen Airlines und Länderluftfahrtbehörden geführt werden.
ULTRA LONG RANGE FLIGHTS (ULR)
Durch die Einführung neuer Langstreckenflugzeugmuster von Airbus und Boeing können Nonstop-Flüge künftig zwischen zwei beliebigen Punkten auf der Weltkugel dargestellt werden. Reine Flugzeiten mit weit über 18 Stunden und gelegentlicher Polüberquerung charakterisieren diese Operation. Bekannte flugmedizinische Thematiken müssen erneut überdacht und neue integriert werden. Auch die Flugzeugindustrie muss sich noch mit diesen veränderten Anforderungen auseinandersetzen. Die wichtigsten Themen dabei sind das Ermüdungssyndrom der Besatzung (Crew Fatigue), die Gestaltung der Pausen und Ruhezeiten, die radioaktive Strahlung und natürlich auch das Wohlbefinden der Passagiere. Keine Airline hat zuvor eine ähnliche Operation durchgeführt, so dass keine verlässlichen Daten bezüglich der Zusammensetzung der Besatzung, Gestaltung der Ruheräume und Einsatzplanung vorliegen. Auch die Strahlung muss stärker gewertet werden, da die Verweildauer im Strahlenbereich länger ist und auch die Strahlenintensität mit höherer geographischer Breite zunimmt. Besatzung und Passagiere sind auf diesen Flügen verlängert der sauerstoff-ärmeren und trockeneren Atemluft ausgesetzt. Dies könnte unverhältnismäßig oft aufgrund medizinischer Zwischenfälle zu einer Diversion führen.
Die medizinischen Anforderungen der Passagiere zur Beförderung müssen neu definiert werden. Ein besonderes Augenmerk muss auch auf eine verbesserte medizinische Beurteilbarkeit während des Fluges gelegt werden. Deshalb sollten die Medical Kits erweitert und die Patienten-Telemetrie (Datenübertragung an medizinische Zentren) als wichtige Komponente eingeführt werden. Auch muss bedacht werden, dass gerade auf Polflügen oftmals keine schnellen Diversions möglich sind aus Mangel an medizinischen Versorgungseinrichtungen am Boden. Um den Übergang in diese Operation erfolgreich zu gestalten, müssen viele Details durchdacht und stetige Absprachen zwischen den Airlines, Herstellern, Wissenschaftlern und Behörden gewährleistet werden.
IN-FLIGHT INCAPACITATION
Die Wahrscheinlichkeit einer Inflight Incapacitation sollte nach einer Forderung, die 1982 aufgestellt wurde, nicht mehr als 1% pro Jahr sein (Zweimann-Cockpit, Verkehrsflugzeug). Man spricht von der 1% Rule. Das entspricht einem Risiko von 1 zu 10 Milliarden, einen fatalen Unfall durch eine Incapacitation zu verursachen. Nun hat sich seither viel getan hinsichtlich der Risikoabschätzung, meinte der Brite J. Mitchell von der CAA. Er hinterfragte kritisch die Gültigkeit der Regel und forderte eine risikoorientierte Anhebung des Prozentsatzes. Er begründete dies durch die Verbesserung der Autopiloten-Systeme, die Redundanz in der Zusammenarbeit (CCC, CRM), die erhebliche Zunahme der durchschnittlichen Flugzeiten und die Verringerung der kritischen Phasen (Start, Landung). Rein rechnerisch könnte man den Wert auf 8% anheben, sagte er, um auf ein gleiches Risiko wie 1982 zu kommen. Das ist ihm jedoch auch zu hoch. Er schlägt eine 2%-Regel vor mit der Möglichkeit, individuelle medizinische Problemfälle wesentlich flexibler entscheiden zu können.
HÖHENSTRAHLUNG
Der Chief Medical Officer von British Airways, Dr. Michael Bagshaw, zeigte, wie er die Forderung der EURATOM in seiner Firma umsetzte.
Zunächst wurden auf allen BA-Flügen die Strahlendosen gemessen, die dann mit einem Rechenmodell verglichen wurden. Das CARI 6E-Rechenmodell überzeugte durch Resultate, die mit den gemessenen Werten gut übereinstimmten. Anhand dieses Modells wird für jeden Mitarbeiter ein Strahlenkonto erstellt, das dann im Intranet veröffentlicht und eingesehen werden kann.
Insgesamt wird schon planerisch versucht, eine Gleichverteilung der Dosis zu erreichen. Falls ein Wert 4mSv die letzten 8 Monate überschreitet (Action Level), wird das Besatzungsmitglied auf strahlungsgeringere Strecken eingesetzt, um nie die 6mSv pro Jahr zu erhalten, was ein gesetzliches Limit darstellt. Bis heute hat bei der BA kein Besatzungsmitglied diesen Grenzwert überschritten. Im Durchschnitt hat ein Besatzungsmitglied auf der Langstrecke ca. 4 mSv pro Jahr, auf der Kurzstrecke ca. 2 mSv pro Jahr.
Bei Schwangerschaft bietet die BA den Besatzungsmitgliedern Bodenjobs an, um auch dort den Strahlenschutzvorschriften zu entsprechen. Während der gesamten Schwangerschaft soll der Wert von 1mSv nicht überschritten werden, und das ist mit einem Flugdienst nicht zu vereinbaren.
In England existiert eine Arbeitsgruppe, die Cosmic Radiation Advisory Group, in der verschiedene Behörden und Institutionen sowie Vertreter von Airlines und Pilotenvereinigungen sich beraten und Empfehlungen aussprechen.
In den USA werden prinzipiell von den Behörden keine Wertermittlungen oder Messungen vorgeschrieben, weil keine Schädigung nachgewiesen wurde. Man bezieht sich dabei auf Studien, die nie eine eindeutige Gesundheitsschädigung durch Höhenstrahlung bewiesen haben. Das heißt, es wird den Airlines überlassen, ob gehandelt wird. Diese verhalten sich jedoch diesbezüglich sehr passiv. Obwohl in den USA mehrere wissenschaftliche Gremien ein Procedere ähnlich wie in Europa fordern, wird nichts unternommen. Sogar Schwangere fliegen so lange sie wollen, wenngleich das anerkannte Limit für diese bei 2 mSv pro Jahr liegt. Ein amerikanischer Gynäkologe hat ausgerechnet, dass im schlechtesten Fall eine Schwangere bis zu 8 mSv Strahlung erhalten kann. Das ist vierfach über dem amerikanischen Limit und achtfach über unserem in Europa.
Auch Iberia hat ein Jahr lang auf ihren Flugzeugen Strahlendosen gemessen. Ebenfalls wurden in dieser Studie die Messwerte mit verschiedenen Rechenmodellen verglichen. Die Strahlenbelastung lag pro Mitarbeiter von 0,5mSv bis 3mSv pro Jahr bei einer durchschnittlichen Flugzeit von 600 Stunden (siehe Tabelle). Da im Schnitt die Werte über 1mSv per annum liegen, müssen, wie bei der BA auch, personenbezogene Strahlendosen aufgezeichnet werden.
Die ESCAPE-Studie, auf dessen Ergebnis schon länger gespannt gewartet wurde, ist in Sydney endlich veröffentlicht worden. Sie ist weltweit die größte Studie, die das Krebsrisiko unter dem fliegenden Personal untersuchte. Neun europäische Arbeiten wurden zusammengefasst und ausgewertet. Ein Resultat zeigte eine geringe Häufung von Haut-, Blut- und Brustkrebs. Dr. Zeeb, von der Universität in Bielefeld, meinte, dass durch die geringe Signifikanz keine Kausalität zur Höhenstrahlung darzustellen ist. Insgesamt, so vermutete er, scheint der Einfluss des Arbeitsumfeldes im Flugzeug (Strahlung, Elektromagnetismus, Triebwerksabgase, Zeitverschiebung, „Life Style“) auf das Krebsrisiko gering zu sein.
An dieser Stelle verweise ich auf den Beitrag von Herrn Lebuser, der sich in dieser VC-Info-Ausgabe intensiver mit der ESCAPE-Studie beschäftigt hat.
Dr. med. Maximilian Wiesholler,
AG Flugmedizin