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Die tragische Häufung von Flugunfällen in den letzten Monaten – wie auch die umgehenden politischen Maßnahmen – haben in der Öffentlichkeit breite Berichterstattung und Diskussion hervorgerufen.
Markus Kirschneck als Pressesprecher der Vereinigung Cockpit hat nicht immer die Möglichkeit, den Standpunkt unseres Verbandes ausführlich darzustellen, oft werden Äußerungen auch nur gekürzt oder geschnitten wiedergegeben. Wir betrachten die Darstellung in der Öffentlichkeit zwar nicht als falsch aber an vielen Stellen als stark verkürzt und wollen Ihnen als unseren Mitgliedern deshalb zusätzliche Informationen darüber geben, wie unsere Sichtweise sich begründet.
Schwarze Listen
Der Ruf nach einem solchen Mittel kam in Deutschland nach dem Absturz einer Birgenair B757 im Jahre 1996 auf. Damals waren in der Karibik über 180 deutsche Urlauber zu Tode gekommen. Der kurzfristige Druck führte zwar nicht zur Einführung „Schwarzer Listen“, aber zur Einrichtung einer Task Force des Luftfahrt-Bundesamtes, die auch heute die so genannten Rampchecks auf deutschen Flughäfen durchführt. Im Jahre 2004 verunglückten zahlreiche Franzosen an Bord einer B737 der Flash Airlines in Ägypten. Die französische Regierung rief nun nach Maßnahmen zur Verbesserung der Flugsicherheit und veröffentlichte letzten Monat unter dem Eindruck der bekannten Häufung von Flugunfällen im August, wiederum mit zahlreichen französischen Opfern, eine „Schwarze Liste“. Einige europäische Länder folgten, die EU kündigte eine europaweite Liste zum Jahresende an.
Aus VC-Sicht werden unter dem großem öffentlichen Druck nach Unfällen kurzfristig Maßnahmen umgesetzt, die der Beruhigung der Bürger dienen sollen, aber das eigentliche Ziel der nachhaltigen Verbesserung der Sicherheit im Luftverkehr nicht erreichen.
Wir betrachten diese Listen als die unzureichende Antwort der Politik auf die Unfähigkeit, rechtzeitig für ausreichende Standards im Flugverkehr zu sorgen. Für die Passagiere ist die Einführung solcher Listen weitgehend nutzlos, da die aufgeführten Fluggesellschaften nicht mehr buchbar sein sollten, da der Einflug ja untersagt ist.
Die zu Grunde liegenden Rampchecks unterstützen wir, auch die Einigung von
41 Staaten auf die SAFA-Standards (SAFA – Safety Assessment of Foreign Aircraft) hierzu. Jeder Insider weiß aber auch, dass die Überprüfung eines Flugzeugs auf den Zustand der Reifen, offensichtliche
Leckagen und bordseitige Dokumentation nicht die umfassende Frage nach dem Sicherheitsniveau einer Airline wiedergibt. Ein beanstandungswürdiges Flugzeug kann ein Hinweis in die richtige Richtung sein, oberflächlich einwandfreie Maschinen sagen aber wenig über den Allgemeinzustand eines Unternehmens aus. Aufgrund der enormen wirtschaftlichen Bedrohung für eine Fluggesellschaft, auf einer „Schwarzen Liste“ aufzutauchen, betrachten wir diesen Druck als gefährdend für eine offene Kommunikation innerhalb von und über Unternehmensgrenzen hinweg. Das Prinzip „Share your Experience“ hat in unserer Branche eine so grundlegende Bedeutung, dass es nicht gefährdet werden darf. Hinzu kommt die politische Komponente einer solchen Liste. Als vor einigen Monaten die türkische Fluggesellschaft Onur Air in Deutschland und anderen Ländern nicht mehr landen durfte, wurde von der türkischen Regierung innerhalb von Stunden ein Einflugverbot über deutsche Fluggesellschaften verhängt. Dies konnte nur unter Einschaltung der Bundesregierung aufgehoben werden. Sie alle wissen, wie schnell man im Luftverkehr ein Chaos auf Kosten der Passagiere anrichten kann. Das Thema „Flugsicherheit“ muss unbedingt vor den Mühlen von Politik und Diplomatie geschützt werden, denn es verträgt keine faulen, sachfremden Kompromisse.
Die USA haben statt Rampchecks einen anderen Weg eingeschlagen: Mit ihrem International Aviation Safety Assessment Program überprüfen sie ganze Nationen auf den Umgang mit dem Thema „Flugsicherheit“, auf die gesetzlich etablierten Standards und die Überprüfung der Einhaltung derselben. Ein solch umfassendes Audit ist sicherlich der mühsamere aber langfristig erfolgversprechendere Weg, wenn auch ebenfalls nicht frei von politischer Einflussnahme.
In Europa gibt es bei dem Umgang mit diesem Thema aus unserer Sicht noch weitere Kritikpunkte: Da es sich bisher nicht um eine EU-weite Liste handelt, könnte zur Zeit noch von verschiedenen Ländern unterschiedlich gelistet werden. Die Niederlande nehmen dies ausdrücklich für sich in Anspruch. Wir meinen, dass wenn schon gemeinsame Standards für die so genannten Ramp-checks bestehen, so sollten auch die Konsequenzen für alle angeschlossenen Staaten gleich gehandhabt werden. Daraus ergibt sich unmittelbar die Frage nach der Fähigkeit der nationalen Behörde, den Luftverkehr des betreffenden Landes tatsächlich überprüfen zu können. Hier hat die VC seit Jahren kritisiert, dass das Luftfahrt-Bundesamt mit rund 400 Mitarbeitern vom Bund unterdimensioniert gehalten wird. In Erwartung der europäischen Behörde EASA ist keine Verbesserung geplant.
Insgesamt hält die VC die Einführung von „Schwarzen Listen“ für nicht zielführend. Die notwendige Sicherheitskultur verlangt nach höchstmöglichen Standards bei Auswahl, Qualifikation und lebenslangem Training von Piloten. Die Möglichkeit, anonym Kritik zu üben und sich einer Vertretung anzuvertrauen, gehört ebenso wie ein stabilisierendes Senioritätssystem dazu. Sowohl bei den Ausbildungsanforderungen als auch bei den Flugdienstzeiten reichen die gesetzlichen Standards nicht aus. So sind z.B. die Dienstzeiten auf ein physiologisch sinnvolles Maß zu begrenzen. Sie können nicht das Ergebnis von Verhandlungskompromissen auf europäischem Parkett sein.
Ein Aspekt, der am Rande der Diskussion Beachtung fand, soll hier noch genannt werden: Wir halten es für notwendig, dass der Passagier bei Buchung seiner Reise erfährt, von welcher Fluggesellschaft er geflogen wird. Änderungen muss er so rechtzeitig erfahren, dass er noch die Möglichkeit und das Recht zur Umbuchung hat.
Leasing von Cockpitcrews
Eine Entwicklung, die der VC seit Jahren Sorge bereitet, ist die Verbreitung von Personalleasing-Agenturen für Piloten. Hier werden auf Zeit Piloten an Fluggesellschaften ausgeliehen. Wir stellen dabei nicht die Qualifikation des Einzelnen in Frage. Aber unsere Überzeugung, dass zur Flugsicherheit eben nicht nur ein Typerating, sondern eine gemeinsame Firmenkultur, ein gemeinsam trainiertes und gelebtes CRM sowie die volle Kommunikationsfähigkeit in allen Phasen gehört, führt zur Ablehnung dieses Geschäftsmodells.
Umgang mit der Entscheidungsfreiheit der Piloten
In letzter Zeit zeigt sich auch öffentlich, wie groß der Druck durch Ticketpreis-Senkungen und Kerosinkosten auf einzelne Airline-Manager zu sein scheint. Einige verlieren dabei offensichtlich die Nerven oder zeigen jetzt nur offen, wie sie mit dem Spannungsfeld aus Wirtschaftlichkeit und Flugsicherheit umgehen. Den Fall von Kapitän Kallbach der Fluggesellschaft Germania können Sie an anderer Stelle in diesem Heft nachlesen.
In einem anderen Vorgang wurde ein Kapitän spontan von seinem Arbeitgeber vom Dienst suspendiert, kurz danach fristlos gekündigt. Der betreffende Kapitän hatte sich kurz nach dem Start bei Ausfall eines Generators seines zweimotorigen Airbus’ zur Rückkehr zum Startflughafen entschieden. Diese Entscheidung kann und soll hier fachlich gar nicht beurteilt werden, da uns nicht alle Fakten bekannt sind.
Dennoch kann bereits gesagt werden, dass die Wirkung einer solchen Vorgehensweise durch die Führung der Fluggesellschaft fatal ist. Hier wird allen Piloten des betreffenden Unternehmens gezeigt, womit man umgehend zu rechnen hat, wenn man sich aus Sicherheitsgründen für eine Lösung entscheidet, die Kosten auslöst. Auch Piloten von anderen Unternehmen, die entsprechende Geringschätzung ihrer Geschäftsführung, z.B. durch die Vorenthaltung einer Vertretung, erfahren oder schon mal am Telefon unter Druck gesetzt werden, das Flugzeug nach Deutschland zurückzubringen, werden die Signalwirkung nicht überhören. Wer nicht verstanden hat, dass Piloten bei ihren Entscheidungen der Rücken freizuhalten ist, sondern sie mit Arbeitsplatzverlust bedroht, hat in diesem Geschäft nichts zu suchen. Selbstverständlich sind die Kapitäne bereit, ihre Entscheidungen nachträglich untersuchen und hinterfragen zu lassen – aber eben durch Fachleute und frei von Willkür.
Wenn derartige Vorgänge erste Folgen, der von den Airlines betriebenen Abwärtsspirale bei den Ticketpreisen sind, müssen wir uns ernsthafte Sorgen machen, ob das hohe Sicherheitsniveau unserer Branche zu halten sein wird.
Tim Würfel,
Vizepräsident