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AIRPROX: Auf dem langen Weg hin zu mehr Sicherheit

Zusammenstöße von Flugzeugen sind keine häufige Unfallursache, sie bleiben aufgrund ihrer meist schweren Folgen dennoch ein Problem, das große Beachtung verdient. Auch aufgrund des Engagements vieler VC-Mitglieder hat es in den vergangenen Jahren einige Fortschritte gegeben. Matthias Baier, Vorstand Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, sprach dazu mit Felix Gottwald, Leiter der VC-Task Force Environmental, der im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums eine Arbeitsgruppe zum Thema AIRPROX geleitet hat.

Matthias Baier: Felix, Du hast über die vergangenen zwei Jahre die "AG2 AIRPROX und APEG" gemeinsam mit einem Vertreter des Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung BAF geleitet und nun den Abschlussbericht ans Bundesverkehrsministerium übergeben. Kannst Du kurz umreißen, was die Aufgabe dieser AG war und ob ihr erfolgreich wart?

Felix Gottwald: Das Verkehrsministerium hat uns eine Analyse der gesetzlichen Regeln, möglichen Meldewege und Fallzahlen für AIRPROX aufgetragen. Außerdem sollten wir auch Vorschläge zur Verbesserung der Flugsicherheit in diesem Bereich machen, u.a. zur Erhöhung der Meldebereitschaft oder einer standardisierten Bewertung der Ereignisse.

Bis auf die Statistik haben wir alle Aufgaben erfüllt und 18 Empfehlungen erarbeitet, die den Umgang mit AIRPROX betreffen und unserer Meinung nach die Flugsicherheit erhöhen können. 

Baier: Was ein AIRPROX ist wird wohl jedem klar sein, aber könntest Du bitte noch einmal näher erläutern, was die APEG tut? 

Gottwald: Die Aircraft Proximity Evaluation Group ist ein Gremium unabhängiger Experten, das potenziell gefährliche Annäherungen zwischen Teilnehmern am Luftverkehr bewertet. Sie ist zwar organisatorisch beim Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung angesiedelt, steht aber außerhalb des gesetzlichen Meldesystems. Zwischen APEG und Behörden findet kein Austausch statt, und die APEG ist bisher nicht in das staatliche Risikomanagement im Luftverkehr eingebunden gewesen.

Baier: Ist das eine zielführende Struktur oder gibt es aus VC-Sicht Änderungsbedarf?

Gottwald: Die Aufstellung der APEG hat noch Optimierungspotenzial, um unseren Vorstellungen näher zu kommen. Deshalb gibt es seit vielen Jahren Bestrebungen der VC und anderer Stakeholder, dies zu ändern. Ende 2019/Anfang 2020 haben wir in einer Gruppe aus VC, Airlines und Flugsicherungen begonnen, Vorschläge zu erarbeiten. Dafür haben wir uns auch mit dem britischen UK AIRPROX Board (UKAB) ausgetauscht. Auf unsere Anregung hin veranstaltete das zuständige Referat LF17 im BMDV im April 2020 ein Kick-Off-Meeting, um die Ideen der Stakeholder abzufragen. Im Rahmen dessen wurde im Juni 2020 nach mehreren Treffen mit wesentlicher Unterstützung der VC die Einrichtung von zwei Arbeitsgruppen durch das Verkehrsministerium beschlossen: Die AG1 zur Erneuerung des Luftraumkriterienkatalogs, deren Arbeit noch nicht abgeschlossen ist, und die AG2 AIRPROX und APEG.

Baier: Wie hat sich im weiteren Verlauf die Arbeit der AG zwischen den Behörden und den Verbänden verteilt und wie beurteilst Du die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Behörden?

Gottwald: Insgesamt hatten wir einen äußerst konstruktiven und freundschaftlichen Austausch zwischen allen Stakeholdern, die sich aber in der Umsetzung aufgrund der Online-Meetings teils etwas schwierig gestaltet hat.
Die AG2 sollte gleichberechtigt von einem Vertreter des BAF und mir federführend geleitet werden. Aufgrund begrenzter zeitlicher und personeller Ressourcen anderer Stakeholder hat die VC einen Großteil der Arbeit beigetragen. Ich konnte dabei beobachten, dass es für viele Beteiligte wegen Corona sogar noch schwieriger war, mitzuarbeiten. Als VC müssen wir auch darüber nachdenken, wie viele Ressourcen wir künftig in solche Projekte einbringen können. Von Seiten des BMDV ist der Wille zur Unterstützung zu erkennen, aber auch hier gilt, dass gerade die finanziellen Mittel begrenzt sind.

Wir haben in der AG2 die Vertreter von BMDV, LBA, BAF und BFU für das Thema AIRPROX an einen Tisch bekommen. Dass wir diesen Austausch über Behörden- und Verbandsgrenzen hinweg ermöglichen konnten, sehe ich als großen Erfolg an. 

Dass wir diesen Austausch über Behörden- und Verbandsgrenzen hinweg ermöglichen konnten, sehe ich als großen Erfolg an.

Baier: Kommen wir zum eigentlichen Inhalt Eurer Arbeit, der sich in den 18 Empfehlungen niederschlägt. Gibt es einige, die besonders erwähnenswert sind?

Gottwald: Besonders wichtig war uns, dass die APEG weiterhin als unabhängiges Gremium agieren soll und dafür auch die nötigen finanziellen Mittel bekommt, um zum Beispiel ein oder zwei Menschen fest anzustellen. Weiterhin empfehlen wir eine Professionalisierung und Schulung der Teilnehmenden. Essenziell ist die Anwendung von SMS-Prinzipien und aussagekräftigen Bewertungsschemata, wie wir sie zum Beispiel aus den Sicherheitsabteilungen der Airlines kennen. Für die Auswertung wäre das ein erheblicher qualitativer Gewinn, den man dann im Austausch mit dem LBA und BAF für eine Verbesserung der Sicherheit nutzen könnte, indem man systemische Schwächen erkennt. Das kann die Behörden sogar entlasten. 

Wichtig war uns aber auch, die Nutzer zu erreichen und sie besser einzubinden. Die Meldewege sind heutzutage gerade für Privatpiloten nicht immer transparent und wir hätten gern ein zentrales Portal auf Deutsch für alle Meldungen – egal ob verpflichtend, freiwillig oder außerhalb des behördlichen Rahmens (Anmerkung: AIRPOX-Meldungen an die APEG müssen mit einem gesonderten Formular erfolgen). Damit Piloten überhaupt einen AIRPROX melden, muss sichergestellt sein, dass solche Meldungen nicht zu Ordnungswidrigkeitsverfahren führen – wir wollen aus Fehlern lernen und nicht bestrafen. Zum Schutz der Meldenden gerade im PPL-Bereich haben wir daher ein Obmannverfahren empfohlen, dass zum Beispiel über die Verbände der allgemeinen Luftfahrt funktionieren könnte.

Baier: Wie siehst Du die Chancen, dass diese Empfehlungen auch umgesetzt werden?

Gottwald: Einige Empfehlungen wurden direkt umgesetzt. In der Allgemeinen Luftfahrt werden bereits die Trainingsinhalte der Lehrpläne angepasst. Auch das Problem von Ordnungswidrigkeiten, die auftauchen können, wenn Fluglotsen einen AIRPROX melden, wurde direkt zu unserer Zufriedenheit gelöst. Hier haben alle Beteiligten schnell und unbürokratisch für Abhilfe gesorgt. Gerade eben werden auch nationale Gesetze wie das LuftVG und die LuftVO angepasst und die von uns herausgearbeiteten Verbesserungsmöglichkeiten finden sich dort wieder.

Bei den grundlegen Fragen sieht es dagegen schwieriger aus. Inwiefern ein Budget für eine eigenständige APEG in Zukunft möglich sein wird, ist derzeit nicht klar. Das bedeutet auch, dass unsere Empfehlungen zur Professionalisierung wahrscheinlich nicht sofort umgesetzt werden können. Als VC werden wir aber weiterhin in den entsprechenden Gremien darauf hinwirken, beispielsweise durch unsere Mitarbeit in den Arbeitsgruppen des Deutschen Plans für Luftverkehrssicherheit und natürlich in der APEG.

Baier: Woran hapert es und wo können wir als VC dazu beitragen, die Empfehlungen in der Realität umzusetzen?

Gottwald: Wir tun aus meiner Sicht schon sehr viel. Wir haben ein Netzwerk aufgebaut, in dem alle Stakeholder vertreten sind und in dem wir mit allen konstruktiv zusammenarbeiten – das ist eine wesentliche Verbesserung zum Zustand von vor wenigen Jahren. Wir beteiligen uns sehr aktiv in den genannten Gremien, was nicht immer einfach ist, denn schließlich haben wir nicht unbegrenzt ehrenamtliche Piloten zur Auswahl und müssen mit unseren Finanzen haushalten. Ich würde unseren Mitgliedern hierbei gern schnelle Ergebnisse präsentieren können, aber die Prozesse sind einfach sehr langwierig. Deshalb brauchen wir vor allem Geduld und den langfristigen Rückhalt unserer Mitglieder.

Baier: Vielen Dank für die Arbeit und Energie, die Du und Ihr alle in dieses wichtige Thema steckt und vielen Dank für das Interview.