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Ich möchte darauf hinweisen, dass der Bundesfinanzhof mit dem Urteil VI R 17/17 in der mündlichen Verhandlung am 10.04.2019, im Beisein des Vorstehers des Finanzamts Limburg-Weilburg, des Bundesfinanzministeriums, dem steuerlichen Berater des betroffenen Flugkapitäns und dessen Frau, einer Flugbegleiterin, und meinem Beisein, als vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassenem Zuhörer, in gleicher Angelegenheit das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 23.02.2017 – i K 1824/15 aufgehoben und an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückgewiesen hat. Die Revision der Kläger sei begründet, entschied der 6. Senat in seiner Besetzung mit fünf Berufsrichtern. Der Senat könne nicht beurteilen, ob die Kläger in der betrieblichen Einrichtung ihres Arbeitgebers in dem erforderlichen Umfang tätig geworden seien, um diese als erste Tätigkeitsstätte einzuordnen; II Absatz 1 der Entscheidung.
Dazu ist inzwischen ein Beweisaufnahmeverfahren beim Hessischen Finanzgericht in Kassel begonnen worden. Als Zeugen seien zur Beweisaufnahme Herr Spohr, Vorstandsvorsitzender der LH und unterstützend ein Sachverständiger (RA/Professor) des Luftverkehrsrechts sowie des Arbeitsrechts angeboten worden (so die Mitteilung des vertretenden WP/StB).
Die Angelegenheit, ob bei der Fahrt von zu Hause zum Einsatzflughafen und zurück Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte gegeben sind, oder ob es sich dabei um Dienstreisen handelt, ist also nach wie vor nicht abschließend vom Finanzgericht oder dem Bundesfinanzhof entschieden, auch wenn der BFH in dem m.E. anzuzweifelnden Urteil vom 11.04.2019 VI R 40/16 im Verfahren einer Copilotin aus Zürich entscheiden hatte, es handele sich um Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte, denn der Sachverhalt der eigentlichen Tätigkeit am Flughafen ist noch genauer zu klären, da seit der elektronischen Einführung des Briefings (entgegen dem früheren Abholen im Postfach am Flughafen) gelangt dieses schon vor Abfahrt des Piloten von zu Hause zum Flughafen direkt auf seinen PC in dessen Wohnung. Es kommt hinzu, dass Simulator, Emergency, Fliegerarzt-Besuch, Lehrgänge usw. an anderen Standorten stattfinden.
Nach meiner Ansicht sind die Fahrten mit 0,30€ pro Entfernungskilometer (also für die jeweiligen Fahrten hin und zurück) bei Einzelnachweis der jährlich gefahrenen Kilometer sogar noch höher mit dem Durchschnittspreis des Verbrauchs, seit 2014 weiterhin geltend zu machen, ebenfalls die Pauschalen der Verpflegungsmehraufwendungen. Hilfreich sind als Nachweis dazu die Ausdrucke des easy-dutyplans, die bei mir mit Erfolg in sämtlichen Fällen der Piloten bei den jeweiligen Finanzämtern verwendet werden, unter Beifügung der jeweiligen monatlichen Einsatzpläne.
Soweit in den Steuerbescheiden seit 2014 die jeweiligen Finanzämter die Geltendmachung von Dienstreisen nicht anerkannt haben, war dagegen – unter Hinweis auf das noch nicht abschließend entschiedene Urteil des BFH – Einspruch mit Begründung und ein Antrag auf Ruhen des Verfahrens notwendig, um die Bestandskraft des Beschieds zu vermeiden. Falls Finanzämter – seit dem Bekanntwerden des Urteils des BFH in Sachen der Copilotin VI R 40/16 – die Zurücknahme der Einsprüche anfordern, ist dieser Aufforderung noch nicht zu folgen, denn bei Rücknahme sind die Bescheide der Jahre ab 2014 später – bei einem positiven Ausgang des noch nicht entschiedenen Verfahrens – wegen Bestandskraft der Bescheide rückwirkend nicht mehr änderbar. In den von mir bisher behandelten Fällen der Piloten haben die Finanzämter (auch in Bayern!), bei Verweigerung der Aufforderung um Rücknahme der Einsprüche, weiterhin das Ruhen der Verfahren genehmigt und keine ablehnende Einspruchsentscheidung erteilt.
Das Urteil VI R 40/16 vom 11.04.2019 ist inzwischen in BStBl. 2019 II, 546 veröffentlicht worden, das Urteil vom 10.04.2019 VI R 17/17 ist nachzulesen in BFH/NV 2019, 904, da es angeblich nicht zur Veröffentlichung bestimmt sei, aber auch über das Internet vollständig erhältlich.
Die beiden (gegensätzlichen) Urteile haben – wegen des Begriffs der ersten Tätigkeitsstätte – zu Irritation bei den Piloten (m. E. auch bei den in der Kabine eingesetzten Flugbegleiter/innen) geführt. Es ist daher angebracht, auch – wegen der recht komplizierten Fragen der Fahrten zum Flughafen und zurück – genau hinzuschauen und qualifizierte Steuerberater oder Fachanwälte für Steuerrecht hinzuzuziehen, weil die Angelegenheit nicht nur einkommensteuerlich sondern auch verfahrensrechtlich nach dem jährlichen Einkommensteuergesetz EStG und der AO/FGO zu beachten ist und den Finanzämtern ausführlich und eingehend zu begründen ist, denn es geht je nach Entfernung immerhin um recht viel Steuern einschließlich 6% Zinsen für die Betroffenen, zumal das Bundesfinanzministerium wegen der Bedeutung und der Auswirkungen verstärkend – ohne Aufforderung des Bundesfinanzhofs – in den beiden mündlichen Verhandlungen beim Bundesfinanzhof teilgenommen hatte und in den Plädoyers die (ungute) Ansicht der Finanzämter intensiv vertreten hatte.
Die gezahlten Beraterkosten sind außerdem in derartigen Fällen in voller Höhe als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit im Jahr der Zahlung abzugsfähig.
Abschließend:
Es ist also m.E. nicht auszuschließen, dass der BFH oder zuvor schon dass Hessische Finanzgericht nach sorgfältiger erneuter Prüfung des Sachverhalts und der Beweisaufnahme eine Entscheidung zu Gunsten der Piloten trifft, was das (ungute) Urteil der Copilotin „kippt“, und das Ganze zu einer geänderten (guten) Entscheidung für die Piloten gelangt (sog. Änderung der Rechtsprechung).