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Die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) hat ihren Abschlussbericht zum Thema Ein-Pilot-Betrieb veröffentlicht. Das Ergebnis ist eindeutig: Ein gleichwertiges Sicherheitsniveau zwischen eMCO und dem derzeitigen Zwei-Personen-Betrieb kann aktuell nicht nachgewiesen werden. Für die Vereinigung Cockpit (VC) ist dies eine klare Bestätigung langjähriger Sicherheitsbedenken.
Die wissenschaftliche Untersuchung zeigt deutlich: Weder das Konzept der „Extended Minimum Crew Operations“ (eMCO) – bei dem ein Pilot zeitweise allein im Cockpit ist – noch die vollständigen Ein-Pilot-Flugbetriebe (Single Pilot Operations, SiPO) genügen derzeit den Anforderungen an die Flugsicherheit.
Langjährige Forschung bringt Klarheit
Am 18. Juni 2025 schloss die EASA ihre über zweieinhalb Jahre laufende Studie zu eMCO und SiPO offiziell ab. Federführend war ein Forschungskonsortium unter Leitung des Royal Netherlands Aerospace Center (NLR). Ziel war es, die sicherheitsrelevanten Auswirkungen eines Cockpitbetriebs mit nur einer Person zu untersuchen – sei es zeitweise oder über die gesamte Flugdauer.
„Die Veröffentlichung dieses Berichts markiert nicht nur das Ende einer intensiven Forschungsphase, sondern auch einen wichtigen Einschnitt für all jene, die den reduzierten Flugbetrieb mit Nachdruck vorantreiben wollten“, erklärt Niklas Ahrens, Mitglied der VC-Task Force Reduced Crew Operations (RCO). „Für uns Pilotinnen und Piloten ist das Ergebnis eine klare Bestätigung: Unsere sicherheitsbezogenen Bedenken sind fundiert – und sie finden nun auch wissenschaftliche Rückendeckung.“
Bereits im vergangenen Jahr hatte die VC umfassend über das Thema RCO berichtet – etwa in der VC-Info und im Austausch mit internationalen Partnern wie der European Cockpit Association (ECA) und dem Weltpilotenverband IFALPA. Entsprechend intensiv wurde die EASA-Studie auch durch Expertinnen und Experten aus der ECA und ihren Mitgliedsverbänden begleitet.
VC-Mitglieder aus verschiedenen Facharbeitsgruppen – darunter ADO, ATS, LEGAL, OHM, QUAT, SEC und UAS+ – brachten ihr Know-how gezielt in die Forschung ein.
Engagement hat Wirkung gezeigt
„Das positive Ergebnis dieser Studie ist auch ein Verdienst vieler Kolleginnen und Kollegen, die über Jahre hinweg in Fachgruppen, Gremien und Projekten unermüdlich an diesem komplexen Thema gearbeitet haben“, sagt Niklas Ahrens. Auch mediale Präsenz, Stellungnahmen und Öffentlichkeitsarbeit der VC trugen dazu bei, das Thema RCO sichtbar zu machen – bei Politik, Fachwelt und Öffentlichkeit. Max Scheck, ebenfalls Mitglied der TF ergänzt: „Es ist ermutigend zu sehen, dass sich sachorientiertes Engagement auf nationaler und internationaler Ebene auszahlt. Unsere Fachkompetenz wird gehört – und kann Entwicklungen nachhaltig beeinflussen.“
Umfassende Forschungsbereiche untersucht
Die EASA-Studie umfasste fünf zentrale Forschungsbereiche:
• Safety Risk Assessment & Monitoring
• Human Factors & Performance
• Air Operations
• Fatigue Risk Management
• Flight Training
Daraus ergaben sich spezialisierte Unterthemen wie:
• Pilot Incapacitation Monitoring
• Fatigue and Drowsiness
• Sleep Inertia
• Cross-Checks
• Physiologische Bedürfnisse im Cockpit
Ein wesentlicher Bestandteil der Forschungsarbeit waren auch Simulationsstudien, u. a. am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Braunschweig. Die Abteilung Flight Safety der VC war an der Auswahl geeigneter Probandinnen und Probanden beteiligt. „Die Zusammenarbeit mit dem DLR basiert auf einer langjährigen, vertrauensvollen Partnerschaft, die wissenschaftlich fundiertes und ergebnisoffenes Arbeiten ermöglicht“, so Max Scheck.
Ist das Thema damit erledigt?
Nein – RCO ist nicht beendet. Die Schlussfolgerung der EASA lautet im Wortlaut:
„With the current cockpit design taken as a reference, and within the limits of the research, it was identified that an equivalent level of safety between eMCO and the current two-crew operations cannot be sufficiently demonstrated.“
Die Formulierung „within the limits of the research“ sowie der Verweis auf das aktuelle Cockpitdesign zeigen: Die Tür für künftige technologische Entwicklungen bleibt offen. Konzepte aus den Bereichen Advanced Air Mobility (AAM), Remotely Piloted Aircraft Systems (RPAS), Uncrewed Aircraft Systems (UAS) und Künstliche Intelligenz (KI) könnten das Thema künftig erneut auf die Agenda bringen.
„Auch wenn das Ergebnis aktuell ein deutliches Stoppsignal ist, bleibt RCO ein Thema für die Zukunft“, so Max Scheck. „Die Sicherheit darf dabei aber niemals kommerziellen Interessen untergeordnet werden. Wir werden die weitere Entwicklung aufmerksam, offen und fachlich fundiert begleiten.“
Empfehlung: EASA-Bericht D-7
Im Rahmen der Studie wurden insgesamt zwölf Berichte veröffentlicht. Besonders empfehlenswert ist aus Sicht der VC der Bericht D-7, der die komplexe Materie wissenschaftlich fundiert und zugleich praxisnah beleuchtet. Wir empfehlen ihn weniger aus rein inhaltlichen Gründen, sondern vor allem wegen der behandelten Thematik. Das Papier D-7 beschäftigt sich mit den physiologischen Bedürfnissen der Cockpitbesatzungen im Zusammenhang mit RCO – also der Tatsache, dass Pilotinnen und Piloten auch mal auf die Toilette müssen. Es wurden verschiedene Lösungsansätze diskutiert – unter anderem sogar die Verwendung von Windeln.
Der Grundtenor aller Berichte ist eindeutig: Eine Reduzierung der Cockpitbesatzung bringt neue Risiken mit sich – die unter aktuellen Bedingungen nicht ausreichend beherrschbar sind.
Mitarbeit willkommen
Die VC lädt interessierte Kolleginnen und Kollegen ein, sich aktiv in der Arbeitsgruppe Flight Safety zu engagieren. Interessierte können sich jederzeit unter flightsafety@vcockpit.de melden.