Kurznachrichten

Information zur Edelgasfreisetzung in Taishan

In den Medien wird über eine Edelgasfreisetzung in dem chinesischen Kernkraftwerk Taishan (Provinz Guandong) berichtet. Trotz der nebulosen Nachrichtenlage versuchen wir hier einer Lageeinschätzung:

Feststeht: 

  • Es handelt sich bei den beiden Reaktoren am Standort Taishan um mit Leichtwasser moderierte Druckwasserreaktoren der EPR-Baureihe, deren Entwicklung in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts gemeinsam zwischen Frankreich und Deutschland begonnen wurde und nach dem deutschen Beschluss zum Ausstieg aus der Kernenergie von Frankreich allein weiter betrieben wurde. Taishan-1 ist seit Dezember 2018, Taishan 2 seit 2019 in Betrieb.

Berichtet wird:

  • Die französische Reaktorfirma Framatome, die zusammen mit China General Nuclear Power Group die Anlage als Joint-Venture TNPJVC betreibt, hat in zwei Briefen an amerikanische Behörden über ein „Leck“ im Kernkraftwerk und Edelgasfreisetzungen berichtet. Diese stellten eine Bedrohung für das Anlagenpersonal und die Umgebung dar.
  • Die chinesischen für die kerntechnische Sicherheit zuständigen Behörden berichten, dass alle Grenzwerte eingehalten sind. Es gebe daher keinen Anlass die Anlage abzuschalten.

Einschätzung:

Ein EPR-Druckwasserreaktor hat Sicherheitsbarrieren gegen den Austritt radioaktiver Stoffe:

  • die Brennstabhüllen
  • den Primärkreis (Reaktordruckbehälter, Primärkühlmittelleitungen, Dampferzeuger, Primärkühlmittelpumpen)
  • das innere Containment
  • das (äußere) Stahbetoncontainment

In einem EPR befinden sich 241 Brennelemente, die jeweils 265 Brennstäbe enthalten. Diese Brennstäbe, deren Hülle aus einer Zirconium-Legierung besteht, enthalten den Brennstoff in Form von Urandioxid-Pellets. Durch die thermischen und mechanischen Belastungen beim Reaktorbetrieb können an den Hüllrohren Lecks entstehen, wodurch Spaltprodukte, insbesondere auch Edelgase, in den Primärkreis übertreten können. Um diese Produkte, aber auch Korrosionsprodukte aus dem Primärkühlmittel zu entfernen, wird im Teilstrom das Primärkühlmittel einer Reinigungsanlage zugeführt. Diese Anlage ist für eine maximale Spaltprodukt-/Korrosionsprodukt-Konzentration ausgelegt. Wenn diese Konzentration überschritten wird, muss die Anlage abgeschaltet werden, zudem müssen die defekten Brennelemente detektiert und ausgewechselt werden. Das Ab- und Wiederanfahren einer derartigen Anlag bedeutet im Allgemeinen einen ungeplanten mehrtägigen bis -wöchigen Stillstand.

Ob die chinesischen Betreiber - wie nach einigen Meldungen von Framatome dargestellt - die Grenzwerte erhöht hätten, könnte im Hinblick auf die Verlängerung des Leistungsbetriebs geschehen sein.

Fazit für den Flugverkehr:

Der Flugverkehr ist nur dann durch nukleare Ereignisse gefährdet, wenn radioaktive Stoffe in die Umgebung freigesetzt werden. Nach den derzeitigen Informationen sind radioaktive Stoffe offenbar nur in das Primärkühlmittel freigesetzt worden; die erste Sicherheitsbarriere ist also verletzt worden. Die anderen Sicherheitsbarrieren sind jedoch noch intakt, so dass eine Freisetzung nach derzeitigem Kenntnisstand - trotz etwaiger Erhöhung der Primärkühlmittelaktivität - nicht zu befürchten ist.