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Nehmen wir ein Beispiel aus der Praxis:
Ein Flug, bei dem laut Flugplan empfohlen wird, 14.625 kg zusätzlichen Treibstoff zu tankern, um dadurch 1.870 USD (umgerechnet ca. 1.641 EUR) zu sparen. Klingt zunächst nach einem lohnenden Geschäft. Doch womit „bezahlen“ wir diese Ersparnis wirklich?
Laut Flugplan führt die Mitnahme dieser 14.625 kg zu einem zusätzlichen Verbrauch von 4.008 kg Treibstoff. Das entspricht CO₂-Emissionen von rund 12.665 kg. Rechnen wir mit dem aktuellen CO₂-Preis in Europa (73 EUR pro Tonne)1, ergeben sich daraus zusätzliche Emissionskosten von ca. 924 EUR. Wird der gesellschaftlich „wahre“ Preis pro Tonne CO₂ berücksichtigt, der von Studien mit über 300 USD (263 EUR) geschätzt wird 2, 3, steigen die Folgekosten sogar auf ca. 3.331 EUR — mehr als das Doppelte der ursprünglichen Einsparung.
Selbst wenn wir die gesellschaftlichen Kosten einmal außen vorlassen: Sind in der Kalkulation alle betrieblichen Kosten berücksichtigt?
Ein weiteres Beispiel aus dem Linienalltag:
Ein Flugzeug war für die „Cindy S“ Departure (RWY 18 Frankfurt) geplant, konnte wegen Tankering aber die 2.500-ft-Restriction bei DF159 nicht einhalten und musste auf die „Cindy L“ Departure ausweichen — acht zusätzliche Meilen, über 25 % länger. Diese zusätzlichen Kosten (mehr Treibstoff, mehr Flugzeit) wurden in der ursprünglichen Kalkulation der Ersparnis nicht berücksichtigt.
Kurz gesagt: Der vermeintliche wirtschaftliche Vorteil relativiert sich schnell.
Das Argument liegt nahe. Und ja: Ein fairer Wettbewerb ist wichtig. Die ReFuelEU-Regelung, die Airlines innerhalb der EU verpflichtet, mindestens 90 % des Treibstoffs am Startort aufzunehmen, zielt genau darauf ab. Aber: Davon wird jedoch nicht das Tankern an einem EU-Airport für den Rückflug/Weiterflug aus einem Nicht-EU-Land erfasst.
Gleichzeitig entstehen auch Wettbewerbsvorteile, wenn man bewusst auf Tankering verzichtet.
Viele Passagiere erwarten von einer Airline, dass sie CO₂-Emissionen vermeidet, wo es möglich ist. Gerade klimabewusste Privatkunden, aber auch Geschäftsreisende (deren Unternehmen zunehmend CO₂-Vorgaben in ihre Reiserichtlinien aufnehmen), berücksichtigen Nachhaltigkeit bei ihrer Buchungsentscheidung.
Der Verzicht auf Economic Tankering kann also nicht nur ökologisch, sondern auch finanziell sinnvoll sein.Ein Vorreiter ist KLM: Seit März 2024 verzichtet die Airline aus Managemententscheidung auf wirtschaftlich motiviertes Tankering.
Die Dekarbonisierung der Luftfahrt ist eine der großen Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte. Im Vergleich zu Straßen- und Schienenverkehr ist der technische und finanzielle Aufwand um ein Vielfaches höher.
Doch die Notwendigkeit ist unbestritten: Klimaschutz ist eine Investition in die Zukunft des Luftverkehrs. Je teurer und langwieriger technologische Innovationen sind, desto sinnvoller ist es, sofort umsetzbare Maßnahmen zu ergreifen.
Der Verzicht auf Economic Tankering ist eine solche „Low Hanging Fruit“: Es braucht nur die Entscheidung, auf rein preisgetriebenes Tankering zu verzichten, und wir erzielen sofort spürbare CO₂-Einsparungen. Klimaschutz mag auf den ersten Blick Geld kosten. Doch kein oder unzureichender Klimaschutz kostet am Ende noch mehr — auch für die Luftfahrt selbst, z.B. durch häufigere extreme Wetterereignisse. Internationalen Fachkreisen verwenden hierfür die Formulierung: „The cost of action versus the cost of no action.“ Investitionen in SAF, neue Technologien und sofortige Maßnahmen wie den Verzicht auf Economic Tankering lohnen sich langfristig — für das Klima und für die Branche.
VC Position “Economic Tankering” (28.03.2025)
1https://tradingeconomics.com/commodity/carbon
2https://en.wikipedia.org/wiki/Carbon_price
3https://en.wikipedia.org/wiki/Social_cost_of_carbon