
© Vereinigung Cockpit e.V.
Die Konferenz sollte das Thema mit einem offenen, unvoreingenommenen Blick beleuchten – ohne dabei voreilige Antworten zu liefern. Passend dazu lautete die zentrale Frage der Veranstaltung, ob es sich um den logischen nächsten Schritt oder doch um einen Schritt zu viel handelt. Die RAeS ist eine der ältesten Vereinigungen, die sich mit Luft- und Raumfahrt beschäftigt. Sie wurde 1866 gegründet, um die frühe Luftfahrt fortzuentwickeln. Im zweiten Weltkrieg wurde eine technische Abteilung gegründet, um kriegsbedingte Aufrüstung und Forschung zu unterstützen. Seit 1938 ist der Sitz der RaeS in No. 4 Hamilton Place in London. Heute zählt die RAeS weltweit ca. 25.000 Mitglieder. Auch heute noch legt die Royal Charter das Ziel fest, die Luft- und Raumfahrt zu fördern.
In den altehrwürdigen Räumlichkeiten in London wurden an zwei Tagen verschiedene Fragen zum Konzept SiPO diskutiert. Dafür wurden Expertinnen und Experten aus Industrie, Forschung und Verbänden eingeladen und mit den Interessierten im Raum diskutiert.
Natürlich waren bei diesem Thema auch wir als Interessenvertretung von Pilotinnen und Piloten vor Ort. Für die ECA (European Cockpit Association) war deren Präsidentin Tanja Harter vor Ort und hat an einem Panel teilgenommen. Des Weiteren war Priya Doobaree als Vertreterin der IFALPA (International Federation of Airline Pilots Associations) beteiligt. Auch die Verbände aus Frankreich, Großbritannien und Deutschland waren mit Vertretern und Vertreterinnen vor Ort, die die Gelegenheit nutzten, sich in den Fragerunden einzubringen.
Dabei wurden unter anderem folgende Fragen diskutiert: „Warum gibt es ein Interesse an SiPO?“, „Welche Rolle spielt Technologie dabei?“, „Was gilt es zu bedenken?“, „Wie ändern sich Mensch-Maschinen-Schnittstellen?“, „Wie müsste sich Training ändern?“ und zu guter Letzt stand die Frage: „What’s next?“
Wenige der Fragen konnten beantwortet werden und an einigen Stellen haben sich vielleicht eher neue Fragen ergeben. Deutlich wurde, dass SiPO mit heutigen Flugzeuggenerationen nicht darstellbar ist. Für mögliche SiPO-Ansätze bräuchte es neuentwickelte Cockpits mit neuer und mehr Assistenz, um das verbleibende Crewmitglied (CM) zu unterstützen. Was die Rolle dieses CM in einem solchen Konzept wäre, blieb ebenso unklar wie die Frage einer „Zusammenarbeit“ zwischen Assistenzsystemen und CM. Wie zum Beispiel sollten Mentale Modelle von Situationen zwischen Mensch und Maschine abgeglichen und ggf. korrigiert werden? Wie lange könnte ein einzelnes Crewmitglied überhaupt fliegen?
Sicherlich müssten Selektion und Training entsprechend angepasst werden, um die neuen Anforderungen an das verbleibende CM abzubilden.
Bei all diesen Fragen, auf die es noch keine Antworten gibt, war aus unserer Sicht vor allem eine Frage relevant: Was ist der Sicherheitsgewinn von SiPO gegenüber heutigen Mulitcrew-Cockpitbesatzungen? Selbst wenn der Mensch im System Luftfahrt als Risikofaktor betrachtet wird, bleibt höchst fraglich, ob der Abbau einer Redundanz tatsächlich zu einem Sicherheitsgewinn führen würde. So ist das eingespielte Zusammenwirken von pilot flying und pilot monitoring von heute ein elementarer Bestandteil der Flugsicherheit.
Auch bleibt unklar, ob sich der ökonomische Nutzen durch die Einsparung eines Crewmitglieds am Ende tatsächlich verwirklichen lässt.. Zum einen kosten die Assistenzsysteme entsprechend mehr, wenn sie bestimmte Zuverlässigkeit erfüllen müssen, zum anderen ist noch völlig unklar, auf welchen Strecken ein solches Konzept zum Tragen käme. Wie lange könnte man mit SiPO fliegen Könnte ist ebenfalls ungeklärt. Studien zur Ermüdung im Single Pilot Betrieb gibt es derzeit für die kommerzielle Verkehrsluftfahrt nicht.
Unter den Teilnehmern waren natürlich auch die großen Hersteller Boeing und Airbus. Während Boing eher zurückhaltend agierte, nutze Airbus die Konferenz auch zum Werben für das „Extended Minimum Crew Operations“ (eMCO) Programm. Airbus möchte damit ermöglichen, dass heute verstärkte Strecken über den Nordatlantik oder Pazifik zukünftig zu zweit geflogen werden können, während ein Besatzungsmitglied im Cockpit an den Controls verbleibt (PF) und das andere Besatzungsmitglied ruht (pilot resting, PR). Dieses, aus Sicht der Verbände als reduced crew operations (RCO) bekannte Konzept soll laut Airbus Fatigue vermindern, indem mehr Zeit zum Ruhen bliebe. Offensichtlich verfolgt Airbus hiermit aber - ebenso wie es mit einem SiPO-Konzept der Fall wäre - das Ziel, Besatzungskosten zu reduzieren.
Als Berufsverband werden wir darauf dringen, dass Sicherheit nicht gegen Wirtschaftlichkeit abgewogen wird. Jegliche Konzepte für geänderte Crew-Zusammensetzungen müssen einen Sicherheitsgewinn mit sich bringen, der nachweislich und nachvollziehbar ist. Konzepte, die diesem Anspruch nicht genügen, dürfen nicht das heutige, gut eingespielte System ersetzen oder ergänzen.
Die RAeS wird nun an einem White Paper zu SiPO arbeiten. Wir sind gespannt, wie es weitergeht und werden die die weiteren Entwicklungen eng begleiten.