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Was war nochmal…

…die Balanced Field Length?

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Wir wollen heute einmal eine neue Serie über technisch-betriebliche Themen aus der Luftfahrt starten, die in Zukunft unregelmäßig erscheinen wird, um in unterhaltsamer Art und Weise das Augenmerk unserer Leser und Leserinnen auf durchaus bekannte, aber vielleicht auch bereits in Vergessenheit geratene, spannende Sachverhalte aus der Fliegerei zu lenken. Wir beginnen die Serie heute mit dem Thema Balanced Field Length.

Was ist die Balanced Field Length?

Die „Balanced Field Length“ (BFL) ist ein Begriff aus der Flugleistungsrechnung, der die Sicherheits- und Leistungsparameter eines Flugzeugs während des Starts berücksichtigt. Sie bezeichnet jene Startbahnlänge, die mindestens erforderlich ist, um ein Flugzeug sicher abheben zu lassen oder im Falle eines Startabbruchs ebenso sicher zum Stillstand zu bringen.

V1, V2, Takeoff Distance und Accelerate Stop Distance

Wie natürlich hinreichend bekannt sein dürfte, ist die Entscheidungsgeschwindigkeit V1 jene Geschwindigkeit eines Flugzeugs (in einem definierten Beladungszustand und bei bestimmten Umweltparametern), bis zu der das Flugzeug auf einer gegebenen Startbahn noch sicher vor dem Bahnende zum Stillstand gebracht werden kann. Jenseits von V1 muss die Cockpitbesatzung selbst bei einem Notfall wie dem Ausfall eines Triebwerks den Start fortsetzen. Zugleich muss V1 die Bedingung erfüllen, dass bei Ausfall eines Triebwerks frühestens bei Erreichen von V1 und anschließender Fortsetzung des Startlaufs die sogenannte sichere Steiggeschwindigkeit V2 in 35 Fuß über Grund erreicht wird.

Die o.g. Bedingungen führen im Falle eines durchgeführten Starts mit Triebwerksausfall bei V1 zur sog. Takeoff Distance (TOD) und bei Startabbruch bei V1 zu einer Accelerate Stop Distance (ASD). Abbildung 1 zeigt den grundsätzlichen Zusammenhang einer sich aus einer Entscheidungsgeschwindigkeit V1 ergebenden Startstrecke (TOD), bzw. Startabbruchstrecke (ASD).

 

Bei Betrachtung der Grafik wird deutlich, wie (mit gegebenen Performance-, Gewichts- und Umweltdaten) bei der Wahl einer steigenden Entscheidungsgeschwindigkeit V1 zum einen die Takeoff Distance (TOD) kürzer wird (da für einen durchgeführten Start ja erst ab V1 die reduzierte Leistung eines Triebwerkausfalls berücksichtigt wird und somit der „gesunde“ Teil der Beschleunigung mit steigendem V1 länger wird und die Strecke bis V2 in 35 Fuß über Grund entsprechend kürzer), und zum anderen die Accelerate Stop Distance (ASD) mit Startabbruch bei V1 länger (da ein späterer Startabbruch bei höherer Geschwindigkeit natürlich die Gesamtdistanz bis zum erneuten Stillstand des Flugzeugs anwachsen lässt).

An jenem Punkt, an dem beide Distanzen (TOD und ASD) gleich lang sind, ist - wie oben in der Grafik erkennbar - die minimale Strecke für einen in beide Richtungen (Start und Startabbruch) abgesicherten Startlauf erreicht und somit das V1, mit dem die minimal mögliche Startstrecke genutzt werden kann. Mit Verweis auf die „ausbalancierte“ (also gleiche) ASD und TOD ist dies die „Balanced Field Length (BFL)“.

Daraus ergibt sich, dass für einen sicheren Start die dafür nutzbare Startbahnlänge (auch TODA, oder take-off distance available genannt) mindestens dem Wert der errechneten Balanced Field Length entsprechen muss und es bei einer solchen Bahnlänge auch nur genau ein mögliches V1 gibt. Bei einer längeren Bahn kann V1 variiieren, was entweder den Startvorgang oder den Startabbruchvorgang zum limitierenden Faktor werden lässt.

Die Anwendung

Die Berechnung der BFL erfolgt typischerweise durch eine Kombination von Daten aus Flugzeughandbüchern, Leistungstabellen und speziellen Computerprogrammen. Diese Berechnungen sind entscheidend für die Planung und Durchführung von Flügen, insbesondere auf Flughäfen mit kurzen Startbahnen oder in extremen Wetterbedingungen.

Die Berechnung der BFL hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter:

  • Flugzeuggewicht: Ein höheres Gewicht erfordert eine längere Startbahn.
  • Triebwerksleistung: Leistungsstärkere Triebwerke können die notwendige Startbahnlänge reduzieren.
  • Umgebungsbedingungen: Temperatur, Luftdruck und Windverhältnisse haben einen großen Einfluss auf die benötigte Startbahn.
  • Startbahnoberfläche und -neigung: Glatte, trockene Oberflächen und abfallende Startbahnen können die BFL verkürzen, während nasse oder vereiste Oberflächen sie verlängern.

In der Praxis wird die BFL verwendet, um sicherzustellen, dass ein Flugzeug in der verfügbaren Startbahnlänge sicher abheben oder im Notfall abbremsen kann. Pilotinnen und Piloten sowie Flugplaner berücksichtigen die BFL, um das Risiko eines Startunfalls zu minimieren und die Sicherheitsstandards zu erfüllen.

Abbildung 2 zeigt für Start und Startabbruch die Abhängigkeit des möglichen Startgewichts von V1. Hieraus ergibt sich für eine gegebene V1 unter Berücksichtigung beider Szenarien genau ein Startgewichtswert. Wenn man für V1 die aus dem Balanced Field Length Ansatz errechnete Entscheidungsgeschwindigkeit V1 einsetzt, ergibt sich daraus das Field Limit Weight, also das höchstzulässige Abfluggewicht (bei gegebenen Umweltbedingungen) für die Startbahnlänge des Platzes.

Mithilfe von Abbildung 2 wird auch noch einmal deutlich, dass der Balanced Field Length Ansatz eine „Grenzbetrachtung“ darstellt. Das aus einer gegebenen Runway Länge errechnete Field Limit Weight oder umgekehrt die von einem Startgewicht ausgehende minimale Runwaylänge sind in Kombination die rechnerischen Mindestwerte. Sobald man bei gleichem Gewicht eine längere Bahn oder bei gleicher Runway ein verringertes Startgewicht hat, ergibt sich ein ganzer Bereich möglicher V1 Werte, die dann auf anderer Basis, wie zum Beispiel der nötigen Bremsenergie o.ä., optimiert werden können. Da in aller Regel - trotz reduziertem Triebwerksschub - nicht am Performance Limit für eine gegebene Startbahn/ Startgewichtskombination operiert wird, findet zumeist die tatsächliche V1 Berechnung dann nicht mehr nach dem Balanced Field Length Ansatz statt. Dieser bleibt aber sehr wohl ein valider Weg, um das Performancelimit zu ermitteln.

Ein Beispiel

Angenommen, ein Verkehrsflugzeug hat eine errechnete BFL von 2.500 Metern unter den aktuellen Bedingungen. Das bedeutet, dass die Startbahn mindestens 2.500 Meter lang sein muss, damit das Flugzeug entweder sicher abheben oder im Notfall abbremsen kann. Sollte die verfügbare Startbahnlänge kürzer sein, müsste das Flugzeuggewicht reduziert oder andere Maßnahmen ergriffen werden, um die BFL zu reduzieren und damit die notwendige Sicherheitsmarge zu gewährleisten. Bei einer vorhandenen Länge von 2.500 Metern Startbahn wäre, wie erwähnt, nur exakt eine V1 Geschwindigkeit rechnerisch möglich, da alle anderen Werte eine Verlängerung der Start- bzw. Startabbruchstrecke zur Folge haben würden. Bei einer Startbahnlänge von mehr als 2.500 Metern wiederum stünde ein ganzer Bereich an V1 Werten zur Verfügung, die alle sowohl die Start- als auch die Startabbruchbedingungen erfüllen, weshalb V1 innerhalb dieses Bereichs dann auf andere Zielgrößen hin optimiert werden kann.

Fazit

Die Balanced Field Length ist somit ein ganz wesentlicher Sicherheitsparameter in der Luftfahrt, der sicherstellt, dass Flugzeuge unter den gegebenen Bedingungen sicher starten bzw. im Bedarfsfall ihren Start abbrechen können. Durch die Berücksichtigung einer Vielzahl von Faktoren hilft die BFL, das Risiko von Startunfällen zu minimieren, und trägt entscheidend zur Sicherheit und Effizienz des Flugverkehrs bei.