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Flight Safety

Zwischen Aschewolken und neuen Horizonten

Aktuelle Entwicklungen aus der Welt der Luftfahrtmeteorologie

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Von der grauen Theorie zur praktischen Umsetzung: Vulkanasche, globale Zusammenarbeit und Turbulenzmanagement im Fokus der internationalen Luftfahrt.

Quantitative Vulkanaschekonzentration (QVA): Fortschritt mit Unsicherheiten

Seit dem Ausbruch des Eyjafjallajökull 2010 ist das Thema Vulkanasche in der Luftfahrt ein Dauerthema. Aktuell steht die sogenannte „Quantitative Volcanic Ash Concentration Information“ (QVA) im Fokus. Dieses neue Verfahren, das von ICAO und der WMO (World Meteorological Organization) mit Unterstützung durch Triebwerkshersteller und Airlines entwickelt wurde, soll künftig eine präzisere Einschätzung von Aschekonzentrationen in der Atmosphäre ermöglichen – mit dem Ziel, Flugwege flexibler und sicherer gestalten zu können.
Bei einem Arbeitsgruppentreffen des ICAO MET-Panels (ICAO METP MOG IAVW – Meteorology Operations Group – International Airways Volcano Watch ) in Paris (Oktober 2024) wurde deutlich: Noch gibt es keine standardisierte Methode zur Verifikation der QVA-Daten. Ein neues wissenschaftliches Beratungsgremium (WMO AG-VSA  (Advisory Group on Vocanic Science for Aviation Applications)) arbeitet an einem solchen System – frühester Abschluss: 2027. Gleichzeitig wurde deutlich, wie groß der Informationsbedarf bei Airlines und Behörden ist. Beim anschließenden QVACI-Workshop (Quantitative Volcanci Ash  Concentration Information) wurde zwar großes Interesse signalisiert – doch es waren nur wenige Vertreter von staatlichen Aufsichtsbehörden anwesend; Vertreter Deutschlands sowie der EASA haben leider nicht an dem Meeting teilgenommen.

Ein besonderes Risiko ergibt sich in Europa: Die SESAR -Regelwerke (Single European Sky ATM Research Programme) verlangen ab Ende 2025 die verpflichtende Nutzung von QVA – während EASA bislang noch keine eigene Regelung veröffentlicht hat. Eine Rückkehr zu den vagen ICAO-Standardgrafiken droht, da viele nationale Regulierer und Airlines mit der operativen Nutzung von QVA überfordert sind. So könnte Europa in puncto Vulkanasche-Management auf das Niveau von 2009 zurückfallen.

Workshop in Hong Kong: Vielfalt, Fortschritt und Spoofing

Globale Perspektiven standen im Mittelpunkt des viertägigen WMO/ICAO-Workshops zur meteorologischen Service-Entwicklung in Hong Kong (Dezember 2024). Rund 25 Länder berichteten über ihre MET-Kapazitäten. Das Spektrum reichte von Hightech-Initiativen in Korea oder Europa bis hin zu pazifischen Inselstaaten, die mit einem einzigen Wetterradar auskommen müssen.

Besondere Aufmerksamkeit galt der grenzüberschreitenden SIGMET-Koordination (significant meteorological phenomena), Windscher- Warn-Systemen sowie der Anwendung künstlicher Intelligenz in der meteorologischen Vorhersage. Ein Highlight war die Präsentation chinesischer ATM/MET-Konzepte, die stark an US-amerikanische Verfahren erinnern.

Einen unerwarteten Einblick gewährte die Präsentation aus Zypern: Radiosonden würden nach dem Start „gespooft“, ihre Positionen springen teilweise um Hunderte Seemeilen – ein ernstzunehmendes Problem, durch das die Messwerte gerade der oberen Luftschichten kaum noch genutzt werden können.

IFALPA-Vertreter Cpt. (ret.) Klaus Sievers sprach unter anderem zum Status von Vulkanascheinformationen im Cockpit, einschließlich QVA, sowie zur zunehmenden Bedeutung von Weltraumwetter.

JAF 3: Kleine Runde, großes Thema – Turbulenz im Fokus

Beim dritten „Joint Aviation Forum“ von WMO und ICAO stand das Thema Turbulenz im Mittelpunkt der Diskussionen. Der Fokus lag auf Clear Air Turbulence (CAT) und durch Konvektion verursachter Turbulenz (CIT – Convectively Induced Turbulence). Beispiele wie die Zwischenfälle bei Qatar und Singapore Airlines zeigten eindrucksvoll die wachsende Relevanz des Themas.

Die Diskussion drehte sich um drei zentrale Fragen: Wie können Turbulenzdaten besser geteilt werden (etwa über IATA Turbulence Aware – eine eFB Anwendung zum Austausch von Turbulenz-D)? Wie kann das Verhalten der Piloten durch Schulung verbessert werden? Und wie effektiv sind moderne Wetterradar-Geräte tatsächlich?

Eine prägnante Aussage brachte die Herausforderung auf den Punkt: „Was bringen bessere Informationen, wenn diese im Cockpit nicht verstanden werden?“ Die Antwort darauf blieb offen, aber es wurde deutlich: Die Rolle der Ausbildung ist zentral, und Airlines müssen hier mehr Verantwortung übernehmen. Eine globale Empfehlung zur Mindestschulung für meteorologische Themen sei überfällig.
Fazit: Ein System im Wandel – mit offenem Ausgang

Die aktuellen Entwicklungen zeigen eindrücklich: Die meteorologische Unterstützung der Luftfahrt steht vor tiefgreifenden Veränderungen – von QVA über internationale Zusammenarbeit bis hin zur besseren Handhabung von Turbulenzrisiken. Doch zwischen technologischer Ambition und regulatorischer Realität liegt noch ein weiter Weg. Fortschritt gibt es – aber er ist weder linear noch konfliktfrei. Europa steht dabei besonders im Spannungsfeld zwischen neuen Vorgaben und ungelösten Zuständigkeitsfragen. Umso wichtiger sind transparente Kommunikation, internationale Abstimmung und der praxisnahe Einbezug der Pilotenperspektive.  

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