VC stellt umfangreiche IFG-Anfrage an das LBA: Mehr Transparenz bei flugmedizinischen Verfahren gefordert

„Flugmedizinische Untersuchungen und deren Bearbeitung durch das LBA sind für Pilotinnen und Piloten entscheidend“, sagt Andreas Pinheiro, Präsident der Vereinigung Cockpit. „In den vergangenen Jahren ist die Kritik an mangelnder Transparenz, langen Bearbeitungszeiten und uneinheitlichen Vorgehensweisen gewachsen. Verzögerungen gefährden dabei nicht nur berufliche Existenzen, sondern können auch sicherheitsrelevant sein. Deshalb ist es zwingend erforderlich, dass Abläufe, Bearbeitungszeiten und Zuständigkeiten im LBA transparent und überprüfbar sind.“ 

Mit ihrem Antrag ersucht die VC um konkrete Auskünfte zu zentralen Themenfeldern – darunter Verweisungen, Widerspruchsverfahren, Auflagenänderungen, Aufsichtsmaßnahmen, Gerichtsverfahren sowie organisatorische und rechtliche Fragen. Aus Sicht der Pilotengewerkschaft geht es dabei nicht nur um Verwaltungsdetails, sondern um die Grundrechte der Betroffenen und die Verlässlichkeit des Systems.

„Die Verfahren müssen nachvollziehbar, rechtssicher und fair gestaltet sein. Pilotinnen und Piloten brauchen Klarheit, Verlässlichkeit und vor allem zügige Entscheidungen, um ihre berufliche Zukunft planen zu können“, so Katharina Dieseldorff, Vizepräsident der Vereinigung Cockpit.

Erst vor kurzem hat die Vereinigung Cockpit die Ergebnisse einer Mitgliederbefragung zum Thema Verweisungen in einem offenen Brief an den Präsidenten des Luftfahrt-Bundesamtes (LBA) übermittelt. 343 Pilotinnen und Piloten nahmen an der Befragung teil. Die Rückmeldungen zeichneten ein besorgniserregendes Bild: lange Bearbeitungszeiten, mangelnde Transparenz und erhebliche persönliche wie finanzielle Belastungen für die Betroffenen.

Fragenkatalog

Verweisung:

• Wie viele Verweisungen wurden im LBA seit dem 01.01.2020 bis zum Erhalt dieser Anfrage bearbeitet?
• Wie viele flugmedizinische Tauglichkeitsuntersuchungen für die Klasse 1 wurden im gleichen Zeitraum ans LBA übermittelt?
• Was ist die durchschnittliche Bearbeitungsdauer?
• Welche zehn Fälle hatten die längste Bearbeitungsdauer, wie lange war diese und woran lag das? Bitte genau chronologisch aufschlüsseln
• Wie viele Verweisungen sind offen?
• Wie lange dauert es, bis eine Verweisung nach Übermittlung durch AME / AeMC einem medSV zugewiesen wird?
• Anhand welcher Kriterien erfolgt das?
• Wie lange dauert es, bis ein Betroffener nach Übermittlung seiner Unterlagen iRd Verweisung eine Eingangsbestätigung erhält? Wenn keine versendet wird: warum nicht?
• Gibt es einen Geschäftsverteilungsplan? Wenn nicht: warum nicht?
• Wie häufig wurden Verweisungen von einem medSVs bearbeitet, der keine fachärztliche Qualifikation auf dem Gebiet der Verweisungsdiagnose hat? Wurde in diesen Fällen ein externer Gutachter (nicht die externen  Mitarbeiter des LBA, sondern völlig unabhängige Personen) mit entsprechender Qualifikation hinzugezogen? Wenn nein: warum nicht?
• Wird zumindest versucht, die Fälle einem medSV zuzuteilen, der eine Facharztqualifikation auf dem Gebiet der Verweisungsdiagnose hat? Wenn ja: wie genau? Wenn nein: warum nicht?
• Wie häufig werden in Verweisungen externe Gutachter (siehe o.g. Def.) hinzugezogen? Anhand welcher Kriterien wird das entschieden?

Widerspruchsverfahren:

• Wie viele Widerspruchsverfahren gegen Verweisungsentscheidungen gab es im gleichen Zeitraum? 
• Was ist die durchschnittliche Bearbeitungsdauer? 
• Welche zehn Fälle hatten die längste Bearbeitungsdauer, wie lange war diese und woran lag das? Bitte genau chronologisch aufschlüsseln.
• Wie oft wurden Verweisungsentscheidungen im Widerspruchsverfahren geändert?
• Wie oft aufgrund von Befunden, die man auch in der Verweisung hätte anfordern können?
• Wie oft nach Vorlage beim Fliegerärztlichen Ausschuss?
• Wie oft nach Vorlage bei einem anderen medSV als dem, der die Ausgangsentscheidung getroffen hat?
• Wie oft wurden Fälle sowohl in der Verweisung als auch im Widerspruchsverfahren in der sogenannten Ärzterunde besprochen? Falls das nicht dokumentiert wird: Warum nicht? Welche Fälle kommen in die sogenannte Ärzterunde?
• Wie viele Widerspruchsverfahren sind offen?

Auflagenänderung:

• Wie viele Auflagenänderungsanträge gab es im gleichen Zeitraum?
• Was ist die durchschnittliche Bearbeitungsdauer?
• Welche zehn Fälle hatten die längste Bearbeitungsdauer, wie lange war diese und woran lag das? Bitte genau chronologisch aufschlüsseln
• Wie oft wurde im Rahmen eines Auflagenänderungsverfahrens die Untauglichkeit festgestellt? Wurde der/die Betroffene vorher angehört? In welcher Form? Wenn nein: warum nicht?
• Beabsichtigt das LBA, an dieser aus unserer Sicht rechtswidrigen Praxis (mindestens reformatio in peius im Ausgangsverfahren) festzuhalten? Mit welcher juristischen Begründung?

Aufsichtsmaßnahmen:

• Wie oft wurden im gleichen Zeitraum flugmedizinische Tauglichkeitszeugnisse als „Aufsichtsmaßnahme“ eingezogen? 
• Wie oft davon ohne Anhörung? 
• Warum erfolgte in diesen Fällen keine Anhörung? 
• Wie oft haben das medSVs oder Sachbearbeiter ohne juristische Unterstützung entschieden?
• Warum wurde kein Jurist eingebunden?
• Wie oft erfolgte die Einziehung aufgrund anonymer Hinweise? Wie oft wurde vorher verifiziert, wer hinter dem Absender steckt? Wenn das nicht geschehen ist: Warum nicht?
• Wie oft erfolgte die Einziehung aufgrund von Fehlern des AME? Wurde eine Risikobewertung vorgenommen, wie schwer der Fehler war und wie flugsicherheitsrelevant?
• Wie oft erfolgte die Einziehung aufgrund von Hinweisen der Polizei, StA oder anderer Behörden (z.B. Führerscheinstelle)?

Gerichtliche Verfahren:

• Wie viele Gerichtsverfahren waren im gleichen Zeitraum gegen das LBA anhängig?
• Wie viele davon Klagen gegen Widerspruchsbescheide, mit denen die Untauglichkeit aufrechterhalten wurde?
• Wie viele Untätigkeitsklagen? 
• Wie viele Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz? Wie viele davon nach § 123 VwGO, wie viele (gegen Einziehung als Aufsichtsmaßnahme gerichtete) nach § 80 Abs. 5 VwGO?
• Wie viele Verfahren endeten streitig durch Urteil? Wie oft hat das LBA obsiegt, wie oft ist es unterlegen, wie oft gab es „gemischte“ Entscheidungen?
• Wie viele Verfahren endeten durch Vergleich?
• Wie oft musste das LBA unabhängig von der Art des Verfahrensausgangs ein Medical entgegen seiner vorherigen Bewertung doch ausstellen?
• Wie oft wurden durch das Gericht Sachverständige beauftragt?
• Wie oft haben diese einen Fall anders beurteilt als die medSVs des LBA?
• Wie viele Verfahren sind offen?
• Wie oft hat das LBA im gleichen Zeitraum gerichtliche Fristen (Stellungnahme, Aktenübersendung...) nicht eingehalten? Warum? In wie vielen Fällen wurde seitens des VG mehrfach erinnert? Wie oft?

Allgemeines zur Organisation:

• Wie oft wurden im gleichen Zeitraum Sachstandsanfragen und Akteinsichtsgesuche von Betroffenen oder deren Rechtsanwälten nicht innerhalb von vier Wochen beantwortet? Warum nicht? 
• Wie oft wurde von den Betroffenen /RA’en daran erinnert? In wie vielen Fällen mehrfach? 
• Wie lange dauert es durchschnittlich, bis Akteneinsicht gewährt wird?

Allgemeine Rechtsfragen:

• Warum werden die medizinischen Sachverständigen des LBA nicht verpflichtend verwaltungsrechtlich geschult (ließe sich sowohl intern anordnen als auch in LuftPersV festschreiben)? Beabsichtigt das LBA hier Änderungen?
• Worauf stützt sich die Rechtsauffassung des LBA, dass während einer Verweisung auch die Rechte der Tauglichkeitsklassen 2 und LAPL nicht genutzt werden dürften und wie soll das mit der Systematik der VO (EU) Nr. 1178/2011, die nicht ohne Grund zwischen den Anforderungen differenziert, in Einklang zu bringen sein?
• Warum hat das LBA immer noch keine Stellungnahme zur Anfrage der VC bzgl. Verweisungen bei Mental-Health-Themen abgegeben? 
• Warum sagt das LBA (AL-L) unter Zeugen Priorisierungen zu und hält sich nicht daran?